Die Adlon - Verschwoerung
Sie sind mir was schuldig.»
«War doch, Otto. Und glauben Sie mir, ich bin froh darüber. Ich bin nicht sicher, ob unsere Freundschaft die Belastung aushalten würde, wenn Sie es wären, der mir etwas schuldet. Rufen Sie mich an, wenn Sie was Neues in Erfahrung bringen.»
Die meiste Zeit lief das Adlon wie ein großer schwerer Mercedes - ein schwäbischer Koloss aus handgearbeiteter Karosserie, handgenähtem Leder und sechs überdimensionierten Continental-Reifen. Ich kann nicht behaupten, dass das Gleiche für mich galt, auch wenn ich meine Pflichten - die größtenteils Routine waren - einigermaßen ernst nahm. Ich hatte einen eigenen Wahlspruch: Ein gutes Hotel zu führen ist so, als würde man die Zukunft vorhersehen - und dann verhindern, dass sie eintritt. Also durchforstete ich Tag für Tag das Melderegister für den Fall, dass ein Name hervorstach, der nach meinem Gefühl für Schwierigkeiten und Ärger stand. Was nie geschah. Es sei denn, man zählt König Prjadhipok dazu und seine Bitte, der Küchenchef möge ihm doch eine Schale Ameisen und Heuschrecken servieren, oder den Schauspieler Emil Jannings und seine Neigung, jungen Schauspielerinnen mit einer Haarbürste recht laut den nackten Hintern zu versohlen.
Das Hoteljournal war eine ganz andere Sache. Die Firmenbewirtung im Adlon war in der Regel üppig, und häufig flössen Ströme von Alkohol. Hin und wieder liefen die Dinge folgerichtig ein wenig aus dem Ruder. An jenem besonderen Tag hatten sich zwei Gruppen von Geschäftsreisenden eingebucht. Vertreter der Deutschen Arbeiterfront tagten von früh bis spät im Beethoven-Saal, und für den Abend hatten sich - durch einen mir nach meinem Besuch im Ministerium des Innern nicht unverborgen gebliebenen Zufall - die Mitglieder des Deutschen Olympischen Organisationskomitees einschließlich Hans von Tschammer und Osten sowie SS-Standartenführer Arno Breitmeyer angemeldet, um im Raphael-Saal zu Abend zu essen.
Ich rechnete lediglich vonseiten der daf mit Schwierigkeiten der Nazi-Organisation, die die deutsche Gewerkschaftsbewegung übernommen hatte. Sie wurde von Dr. Robert Ley geführt, einem ehemaligen Chemiker, der zu viel trank, insbesondere dann, wenn der Steuerzahler die Rechnung beglich. Regelmäßig wurden Prostituierte als Gäste der Führer der Arbeiterfront ins Adlon eingeladen, und wir wussten, dass übergewichtige, schnaufende Männer sich auf den Toiletten mit Huren vergnügen würden. Mit den hellbraunen Jacken und den roten Armbinden waren sie leicht zu erkennen, weshalb mir der Gedanke kam, dass Nazis und Fasanen irgendwie etwas gemeinsam hatten: Man musste weder den einen noch den anderen persönlich kennen, um den Wünsch zu verspüren, zum Gewehr zu greifen und ihn abzuschießen.
Wie sich herausstellte, blieb Ley der Veranstaltung fern, und die Delegierten der daf verhielten sich mehr oder weniger ordentlich, mit Ausnahme eines Betrunkenen, der sich auf den Teppich übergab. Ich schätze, ich hätte darüber erfreut sein müssen - als Hotelangestellter war ich selbst Mitglied der Arbeiterfront. Ich war nicht sicher, was genau ich für meine zwei Mark Mitgliedsbeitrag im Monat an Gegenwert erhielt, doch es war so gut wie unmöglich, in Deutschland eine Arbeit zu finden, ohne Mitglied in der daf zu sein. Ich freute mich schon auf den Tag, an dem ich stolz in Nürnberg vor dem Reichsparteitag mit einer glänzend polierten Schaufel über der Schulter paradieren und mich vor dem Führer präsentieren durfte. Zweifellos dachte der andere Hausdetektiv des Adlon, Fritz Muller, ganz genauso. Wenn er in der Nähe war, kam man nicht umhin, über die wahre Bedeutung der Arbeit für die deutsche Gesellschaft nachzudenken. Muller rührte kaum jemals selbst einen Finger. Ich hatte ihm den Auftrag gegeben, den Raphael-Saal im Auge zu behalten, was mir als die einfachere Aufgabe erschienen war, doch als der Ärger losging, war von Muller keine Spur zu sehen, und Behlert kam Hilfe suchend zu mir geeilt.
«Es gibt Schwierigkeiten im Raphael-Saal», sagte er atemlos.
Wir eilten durch das Hotel - rennen war strikt verboten, und kein Angestellter des Adlon durfte jemals laufen -, während ich versuchte, aus Behlert herauszukriegen, wer genau die Männer alle waren und worum es bei ihrer Tagung gegangen war. Einige Namen in der Liste der Mitglieder des Olympischen Organisationskomitees waren derart, dass man lieber die Biographie von Metternich gelesen hatte, bevor man ihnen gegenübertrat.
Weitere Kostenlose Bücher