Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
witzelte sie.
    «Ich habe es gelesen. Es wird sich nicht verkaufen. Zum einen sind es zu viele Regeln. Zum anderen sind die meisten dieser Hotelboys so sehr damit beschäftigt, Botengänge zu erledigen und Besorgungen zu machen, dass ihnen keine Zeit bleibt, irgendetwas zu lesen, das länger ist als Krieg und Frieden.»
    Sie lachte amüsiert. Hedda Adlon mochte meinen Humor. «So lang ist es auch wieder nicht», sagte sie.
    «Erzählen Sie das einem Pagen. Abgesehen davon, die Witze in Krieg und Frieden sind besser.»
    «Haben Sie es gelesen? Krieg und Frieden?»
    «Ich habe mehrere Male damit angefangen, aber nach vier Jahren Krieg beschließe ich in der Regel einen Waffenstillstand und verkaufe das Buch an den Erstbesten, der es haben will.»
    «Es gibt da jemanden, der Sie gerne kennenlernen möchte. Rein zufällig ist sie Schriftstellerin.»
    Wie konnte es anders sein - ich wusste ganz genau, von wem Hedda Adlon redete. Schriftsteller, insbesondere weibliche Schriftsteller aus New York, waren dünn gesät im Adlon in jener Zeit. Hatte wahrscheinlich etwas damit zu tun, dass die Zimmer fünfzehn Mark pro Nacht kosteten - etwas weniger, wenn man kein eigenes Bad brauchte, wie die meisten Schriftsteller, die hier wohnten, trotzdem war es Jahre her, dass der letzte amerikanische Autor, Sinclair Lewis, im Adlon abgestiegen war. Die große Depression traf jeden, doch niemand litt so sehr unter ihr wie ein Schriftsteller.
    Wir gingen nach oben zu der kleinen Wohnung, die die Adlons im Hotel für sich beanspruchten. Klein allerdings nur im Vergleich mit dem riesigen Landgut, das die Familie außerhalb von Berlin besaß. Die Wohnung war hübsch eingerichtet - ein prachtvolles Beispiel der späten wilhelminischen Epoche. Dicke Teppiche, schwere Vorhänge, schwere Bronze, Blattgold im Überfluss, das Silber massiv - selbst das Wasser in der Karaffe sah aus, als wäre es kostbarer als anderswo.
    Mrs. Charalambides saß auf einem kleinen Sofa aus Birkenholz mit weißen Polstern. Sie trug ein dunkelblaues Wickelkleid, eine dreifach um den Hals geschlungene Perlenkette, diamantene Ohrringe und direkt unter dem Ausschnitt eine dazu passende Saphirbrosche, die aussah, als wäre sie einem Maharadscha aus dem Sonntagsturban gefallen. Sie sah überhaupt nicht aus wie eine Schriftstellerin - es sei denn, sie war eine Königin, die auf ihren Thron verzichtet hatte, um Romane über die europäischen Grand Hotels zu schreiben. Sie sprach fließend Deutsch, was mir recht war, weil ich noch mehrere Minuten lang, nachdem ich ihre behandschuhte Hand geschüttelt hatte, kaum ein ordentliches Wort hervorbrachte und den beiden Frauen mehr oder weniger dankbar sein musste, dass sie über mich hinwegredeten, als wäre ich das Netz auf einem Pingpongtisch.
    «Mrs. Charalambides ...»
    «Noreen, bitte.»
    «Sie ist Stückeschreiberin und Journalistin.»
    «Freiberuflich.»
    «Für die Herald Tribüne.»
    «In New York.»
    «Sie kommt geradewegs aus Moskau, wo eines ihrer Stücke ...» «Mein einziges Stück bisher.»
    «... in dem berühmten Moskauer Staatstheater aufgeführt wurde, nach einer sehr erfolgreichen Spielzeit am Broadway.»
    «Du solltest meine Agentin sein, Hedda.»
    «Noreen und ich waren zusammen in der Schule. In Amerika.»
    «Dank Hedda habe ich Deutsch gelernt.»
    «Dein Deutsch ist perfekt, Noreen. Stimmen Sie mir nicht zu, Herr Gunther?»
    «Ja. Perfekt», krächzte ich. Doch ich gaffte auf Mrs. Charalambides' Beine. Und ihre Augen. Ihren wunderschönen Mund. Perfekt.
    «Wie dem auch sei, ihre Zeitung hat sie gebeten, einen Artikel über die bevorstehende Olympiade in Berlin zu schreiben.»
    «Es gibt Stimmen in Amerika, die gegen die Teilnahme unserer Sportler an dieser Olympiade sind, angesichts der rassistischen Politik Ihrer Regierung. Der Präsident der American Olympic Association, Avery Brundage, war erst vor zwei Wochen hier in Deutschland, um sich selbst ein Bild zu machen. Um herauszufinden, ob Juden tatsächlich diskriminiert werden. Und so unglaublich es klingt, er hat der aoa berichtet, dass dem nicht so wäre. Deshalb hat die aoa jetzt einstimmig beschlossen, an der Berliner Olympiade 1936 teilzunehmen.»
    «Eine Olympiade ohne die Vereinigten Staaten von Amerika ...», warf Hedda Adlon ein, «... wäre vollkommen bedeutungslos.»
    «Ganz recht», pflichtete Mrs. Charalambides ihr bei. «Und nach der Rückkehr des Präsidenten der aoa in die Vereinigten Staaten ist die Boykottbewegung zusammengebrochen. In meiner

Weitere Kostenlose Bücher