Die Äbtissin
Compostela hier entlang und verrichten ihre Gebete in unserer Hauptkirche.«
»Ich dachte, ihr Weg führe sie durch Navarra und Kastilien…«
»Zugegeben«, lachte Don Gonzalo, »die Mehrzahl zieht diese Route vor, weil sie weniger gefährlich ist. Wegelagerer und Menschen, die es nicht gerne sehen, wenn Fremde ihr Land durchqueren, die schroffen Berge und die felsige Küste machen den nördlichen Pilgerweg viel gefährlicher, aber er ist auch der kürzeste! Viele wählen diese Route, um nach Compostela zu gelangen.«
»Seht! Seht nur!«, rief Antoñino aufgeregt. »Schiffe! Segeln all diese Schiffe nach West-Indien?«
»Nicht alle.« Inés sog die Gerüche ein, die ihr so vertraut waren. »Nur einige. Andere segeln nach England oder Flandern. Sie haben Wolle und Eisen geladen und bringen andere Dinge mit zurück, an denen es uns hier mangelt, wie Salz, Stoffe, edle Hölzer, Glas…«
»Es sind auch viele Kriegs- und Transportschiffe darunter, die im Auftrag der Könige oder mächtiger Herren gebaut werden«, ergänzte Salazar. »Die Menschen dieser Stadt sind berühmt für die Kunst des Schiffsbaus, und es kommen viele Aufträge aus fremden Ländern. Die biskayischen Zimmerleute, Kalfaterer, Kielschneider, Seiler, Gießer, Ankermacher, Schmiede und Segelmacher sind weithin bekannt.«
»Ich möchte so gerne Wache auf einem Schiff sein.« Antoñino sah sich bereits vom Ausguck des Hauptmastes aus neue Länder entdecken.
»Ich dachte, du wärst mein Schildknappe…«
Auf dem Gesicht des Jungen zeichnete sich ein solches Dilemma ab, dass die Übrigen sich das Lachen nicht verkneifen konnten. Aber das Lachen hatte noch andere Gründe: Joaquina atmete beruhigt auf, weil sie endlich einen sicheren Hafen erreicht hatten – nie war dieser Ausdruck passender gewesen –, ohne unterwegs Drachen begegnet oder in einen Krieg geraten zu sein. Der unglückselige Zwischenfall mit Pedro de Lara und seinen Spießgesellen war bereits vergessen. Inés und Don Gonzalo waren glücklich, weil sie sich wieder in ihrer Heimat befanden, die sie in der Ferne so sehr vermisst hatten, und María hoffte, die ersehnten Antworten auf ihre Fragen zu finden. So zogen sie frohgemut durch die Puerta de Santa María, nachdem sie die fünfzig Maravedís Wegezoll entrichtet hatten, zehn für jeden von ihnen. Die Summe erschien ihnen sehr hoch, doch Salazar bestritt sie von dem Geld, das ihm der oberste Richter für die Reise ausgehändigt hatte, und sie fanden sich mitten auf der Ratsplatz wieder.
Unzählige Händler und Handwerker boten unter großen Marktzelten oder im Freien ihre Ware feil und feilschten mit den Käufern, die von Stand zu Stand schlenderten, um den besten Preis auszumachen. Sie konnten Bootsmänner beobachten, die Matrosen anwerben wollten und lauthals die Vorzüge, die Heuer und den Zielhafen ihrer jeweiligen Schiffe ausriefen, Steinmetze, Schuhmacher und Maurer, die ihre Dienste anpriesen, Geflügel-, Stoff-, Salz- und Gewürzhändler, Stände mit Fleisch und Fisch, Gemüseverkäufer, Kerzendreher, Honigverkäufer, Weinhändler und Handwerker aller Art.
Sie kamen nur mühsam mit dem Wagen durch die bunte Menge, aus der die hohen Kopfputze der Frauen und die ausladenden, spitz zulaufenden Hüte der Männer herausragten, wie auch der Torwächter in Orduña einen getragen hatte. Durch die roten und grünen Röcke, die silberbestickten Leibchen, die weißleinenen Hemden, die leuchtend bunten Halstücher, die Männer wie Frauen um die Schultern trugen, und das lebhafte Treiben, das allerorten zu vernehmen war, wirkten der Platz und die angrenzenden Straßen wie an einem Festtag.
»Wären die Leute nicht so wunderlich gekleidet und würden sie eine christliche Sprache sprechen, man könnte sich beim Fest des Schutzheiligen von Talavera wähnen.«
Zu ihrem großen Bedauern war Joaquina sehr angetan. Dieses Gewimmel erinnerte sie an ihre Jugend, als sie in Begleitung ihrer Eltern zu den Festen gegangen war.
»An Feiertagen geht es hier in Bilbao noch lebhafter zu«, erzählte ihr Inés. »Heute ist lediglich ein Markttag wie jeder andere, an dem die Bauern in die Stadt strömen, um ihre Waren zu verkaufen. Ihr werdet jeden Morgen ein solches Gedränge vorfinden, nachmittags jedoch könnt ihr in aller Ruhe durch die Straßen und Viertel spazieren.«
María sah sich aufmerksam um. Sie wollte sich nichts entgehen lassen, während sie sich laut schreiend einen Weg durch die Menge zu bahnen versuchten. Hauptmann Salazar verteilte
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