Die Äbtissin
Westindien heimgekehrt war. Während der Überfahrt wäre das Schiff einige Male beinahe untergegangen, und der Mann hatte geschworen, sich vor dem Bildnis der Jungfrau von Guadalupe niederzuwerfen, wenn ihn die Muttergottes aus der Gefahr errette. Nachdem er den Hafen von Cádiz gesund und heil erreicht hatte, machte er sich unverzüglich auf den Weg. Danach kehrte er über Madrigal nach Toro zurück, wo ihn Frau und Kinder erwarteten.
Guadalupe war nur wenige Meilen von Trujillo entfernt.
María machte sich bereit, ein weiteres Mal zu lügen, ohne Reue zu empfinden. Gott war ihr Zeuge. Ihre Pflichten als Tochter zwangen sie, alles Nötige zu unternehmen, um ihr Ziel zu erreichen. Sie schrieb einen langen, überzeugenden Brief nach Toledo, in dem sie erklärte, vor Jahren aus Gewissensgründen ein feierliches Gelübde abgelegt zu haben, nach Guadalupe zu pilgern, und bat inständig darum, ihr die Reise zu gestatten. Es seien nur ein paar Tage, die den Ablauf des Klosterlebens nicht beeinträchtigten. María die Jüngere werde wie schon andere Male zuvor ihre Aufgaben übernehmen. Es dauerte, bis die Antwort aus Toledo eintraf, aber wie erhofft erhielt María die Erlaubnis zu reisen. Sie bat nur selten um etwas Außergewöhnliches, und wenn sie es tat, wurde es ihr stets gewährt. Es hatte doch den einen oder anderen Vorteil, ein – wenn auch unbedeutendes – Mitglied der königlichen Familie zu sein.
Sie nahm Ana auf die Reise mit, eine junge, sehr schüchterne Nonne, die kaum je den Mund aufmachte, selbst dann nicht, wenn sie etwas gefragt wurde. Joaquina litt an einer Krankheit, die ihre Beine derart anschwellen ließ, dass schon das Aufstehen ihr die Tränen in die Augen trieb. Sie war sehr dick, obwohl sie kaum etwas aß, und konnte nur mit Mühe atmen. Es gab keine Heilung für ihr Leiden. María wusste, dass es egoistisch war, eine der wenigen Personen, die ihr Zuneigung entgegengebracht hatten, in diesem Zustand zurückzulassen, aber ihre Reise konnte nicht warten.
Die beiden Nonnen wurden diesmal von Luis begleitet, dem ältesten Sohn Meister Antóns, der ihr stets gerne zu Diensten war. Der Wagen war derselbe wie damals, nicht jedoch das Pferd. Der alte Gaul, der sie bis Bilbao gebracht hatte, lebte noch, doch er war lahm und verbrachte die Zeit damit, mit seinem Schweif Fliegen zu verscheuchen. Als sie den Wagen bestieg, wurde María erneut von der Aufregung auf das Unbekannte gepackt.
Aus der vermeintlich schnellen Reise ohne Zwischenfälle wurden mehrere Tage mühseligen Weges. Am Tage war es glühend heiß und bei Nacht eisig kalt. Sie legten Hunderte von Meilen über Berge und durch ödes Land zurück und wurden von einem Schurken bedrängt, dem sie freundlicherweise angeboten hatten, das Mahl mit ihnen zu teilen. Er wollte den Wagen und das Pferd mitnehmen, doch Luis packte ihn am Arm, rüttelte ihn durch und stieß ihn den Abhang hinunter. Sie sahen, wie er sich aufrappelte und, die ärgsten Flüche ausstoßend, davonhinkte. Schließlich erreichten sie Guadalupe und sammelten dort einige Tage inmitten einer üppig grünen, wasserreichen Landschaft neue Kräfte.
Die Basilika der Hieronymiten war ein Juwel. Vor langer Zeit hatte ein Knabe ein Bildnis der Jungfrau María in der Erde entdeckt, das, so ging die Sage, Mönche aus Sevilla auf ihrer Flucht vor den Sarazenen dort vergraben hatten. Mehr noch als diese Geschichte beeindruckte María die Frömmigkeit, die Menschen dazu veranlasste, zum Ruhme Gottes und seiner Mutter Gotteshäuser wie dieses zu erbauen. Sie hatte nichts dagegen einzuwenden, das Versprechen einzulösen, das sie erfunden hatte, um die Reise unternehmen zu können. Genau wie die zahllosen Pilger, die vor dem Bildnis die Fürsprache Mariens erbaten oder Dank sagten für etwas, das sie erhalten hatten oder zu erhalten hofften, kniete María nieder und dankte der Gottesmutter, dass sie bis hierhin gelangt war und den Namen ihrer Mutter hatte erfahren dürfen, und flehte darum, sie noch einmal sehen zu können, obwohl sie tief in ihrem Inneren wusste, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering war. Es gab keine Wunder, die das Schicksal zu wenden vermochten.
Weder Luis noch Ana stellten Fragen, als sie nach Trujillo aufbrachen, statt nach Madrigal zurückzukehren. Der Junge war ein wenig wortkarg und verschlossen, aber ebenso großherzig wie sein Vater. Wie zuvor sein kleiner Bruder genoss er es, während einiger Tage die harte Feldarbeit vergessen zu können, die im Morgengrauen
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