Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ängstlichen - Roman

Die Ängstlichen - Roman

Titel: Die Ängstlichen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
weiterziehen, um mit seinen Jungs ein paar Gläser Pils zu leeren, ehe es zum Abschluss, gegen halb zehn, weiter ins Poko-Loko, in der Nähe des Goldschmiedehauses, ging, wo er den Abend bei weiteren diversen Gläsern Pils ausklingen lassen würde.
    »Blumen«, ging es Helmut durch den Kopf. »Ich sollte Mutter Blumen besorgen.« (Außerdem hatte ihm ein Blick in seinen Kühlschrank signalisiert, dass es höchste Zeit war, Nachschub zu organisieren.)
    Zehn Minuten später zog Helmut die Haustür hinter sich ins Schloss. Er trug seine leichte mintfarbene Fred-Perry-Windjacke, über dem lindgrünen Fred-Perry-Hemd seinen kirschroten Cashmere-Pullover, eine blaugraue Boss-Jeans (stonewashed) und die ockerfarbenen Lloyds, Modell »Forster«. Während er den nachlässig geteerten, zu den angrenzenden sechsgeschossigen Gebäudekomplexen führenden Verbindungsweg entlanglief, der seinen Bungalow mit den in östlicher Richtung gelegenen unansehnlichen Betonklötzen verband, hatte Helmut das Gefühl, sich, von einer höheren, oder sagen wir: gottähnlichen Warte zu sehen. Und beim Anblick des dort unten beschwingt ein Bein vor das andere setzenden Mannes dachte er zufrieden: Dort geht ein Glücklicher! (Nicht dass Helmut sich je Gedanken über das »Glück« und dessen Bedeutung gemacht hätte; denn Helmut, der selbsterklärte Superrealist, glaubte nicht an so etwas wie Glück oder Vorsehung. Er verstand das Leben vielmehr als lange Kette von Entscheidungen, bei denen man hoffte, möglichst oft die richtige zu treffen. Wer dies tat, der hatte guteChancen, »die Schlacht«, wie er das Leben gern nannte, halbwegs unversehrt zu überstehen; wer dies aber nicht vermochte, der war ein Pechvogel und ein Verlierer und gehörte einer aussterbenden Art an.)
    Als er den Supermarkt erreicht hatte, ließ er seinen Blick kritisch über die diversen, in roten Plastikeimern am Eingang des Marktes feilgebotenen und in blitzende Folie eingeschlagenen Blumensträuße wandern. Schließlich zog er unwillig ein nasstropfendes rot-weißes Gebinde aus Rosen, Tulpen und Gerbera aus einem der Eimer und organisierte sich einen Einkaufswagen.
    Er lenkte das Drahtgefährt gemächlich durch die Gänge, vorbei an den von Deckenstrahlern hell beleuchteten Obstregalen, in denen die Granny-Smith-Äpfel unwirklich glänzten, weiter in Richtung Wurst- und Käsetheke.
    Helmut mochte die Anonymität, die dort herrschte, und dieses Sich-ungestört-treiben-Lassen, vor allem vormittags, wenn überwiegend Frauen unterwegs waren (und man einander mit seinen Wagen umkurvte und kleine sinnlose Überholmanöver startete, so wie es die gebrechlichen Patienten im Hof des St.-Vinzenz-Krankenhauses taten, die, gestützt auf ihren Rollator, sinnlos den Springbrunnen umrundeten). Dann zog er seinen Einkauf manchmal künstlich in die Länge, bloß um diese oder jene Frau, unauffällig wie ein Detektiv, durch die Konservenschluchten zu verfolgen. Denn es gefiel ihm, sie, hinter einer Regalwand hervorschauend, dabei zu beobachten, wie sie die Waren prüfend in die Hand nahmen, wogen und sich am Ende mit Kennerblick für das teurere und gegen das billigere Produkt entschieden.
    Inzwischen war er an der Kühltheke angelangt und platzierte neben den Blumenstrauß zwei Packungen Milch und ein halbes Pfund Landliebe-Butter in seinen Wagen und steuerte, nachdem er noch Erdnüsse und eine Packung Salzstangen dazugelegthatte, auf die Kasse zu. Und alles wäre störungsfrei abgelaufen, wäre ihm nicht plötzlich eingefallen, dass er unbedingt neue Klosteine brauchte (oh, er mochte diese künstlichen Aromen – Zitrone vor allem!). Also ließ er seinen Wagen einen Moment außer Acht und lief zurück in Gang Nummer zwei, in dem sich neben Zahnbürsten, Shampoos und Gesichtscremes auch die Klosteine fanden. Doch wie er zu seinem Ärger feststellen musste, hatte irgendein Banause die letzten Steine weggekauft. Daraufhin lief er entschlossen zu einem der Markt-Mitarbeiter, um sich darüber zu beschweren, dass die leere Packung noch nicht durch eine volle ersetzt worden war.
    Der Mitarbeiter, ein korpulenter, bartschattiger junger Mann mit dunklen Augenringen und ungepflegten langen Zottelhaaren versprach, dies umgehend zu erledigen, und verschwand.
    Helmut studierte angesäuert all die Zahnpastamarken, die es inzwischen gab (es gab welche mit Kräutern, welche mit Erdbeergeschmack und solche gegen Zahnstein), bis der Angestellte nach exakt fünf Minuten und neununddreißig Sekunden (Helmut

Weitere Kostenlose Bücher