Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
legte und deren Genosse Franz Schindler, der Vorsitzende des Rechtsausschusses, als einer der treuesten Unterstützer von Justizministerin Beate Merk auffiel, selbst diese Sozialdemokraten also fühlen sich nun hinters Licht geführt. Ihr Abgeordneter Horst Arnold, früher selbst Richter im Gerichtsbezirk Nürnberg-Fürth, nennt es »ein Unding, dass sehenden Auges Aktenvermerke nachgerade ins Gegenteil verkehrt« würden. »Der Rubikon ist überschritten«, so Arnold.
Und Roland Jüptner?
Der Präsident des Bayerischen Landesamtes für Steuern, diese Behörde ist eine Art Bindeglied zwischen den Finanzämtern und dem Finanzministerium im Freistaat, hat nicht nur bei den Abgeordneten seine Glaubwürdigkeit verloren. Er reiht sich nahtlos ein in das skandalöse und fragwürdige Verhalten ranghoher bayerischer Beamter und Juristen im Fall des Gustl Mollath. Statt sich wenigstens jetzt persönlich zu entschuldigen und die Dinge zu korrigieren, blamiert sich Jüptner erst recht.
Am 4. März schickt er einen Sprecher des Steuer-Landesamtes vor – mit einem geradezu bizarren Deutungsversuch: Jüptner habe vor den Abgeordneten keineswegs die Unwahrheit gesagt. Sondern »lediglich behauptet, dass es keinen Aktenvermerk gibt, in dem eine Einflussnahme auf das Steuerverfahren schriftlich niedergelegt worden« sei. Eine handschriftliche Notiz sei nämlich »kein Aktenvermerk«. Eine Notiz in den Akten ist kein Aktenvermerk. Was dann?
Selten hat sich eine Landesbehörde, hat sich vor allem aber der Präsident einer Landesbehörde in einem solch brisanten Fall dermaßen blamiert wie Roland Jüptner. Geradezu grotesk wird dieses Verhalten durch einen weiteren Auftritt Jüptners wenige Tage später im Landtag. Am 7. März 2013 ist er erneut vor den Rechtsausschuss geladen. Die Stimmung ist angespannt. Sogar der Ausschussvorsitzende Schindler ist gereizt. Jüptner solle klarstellen, »wieso ein handschriftlicher Vermerk kein Aktenvermerk sein soll«, fordert er den Präsidenten des Landesamtes für Steuern auf. Und er solle dabei beachten, »dass jedes Wort, wie ich meine, zu Recht, mittlerweile auf die Goldwaage gelegt wird«. Weshalb Schindler auch angeordnet hat, dass anders als sonst diesmal ein Wortprotokoll der Sitzung erstellt wird.
Nun erst tritt Roland Jüptner den Rückzug an, gibt sich reumütig und kleinlaut. Er wolle sich für missverständliche und unglückliche Äußerungen entschuldigen, sagt er und räumt ein, dass es doch jene Aktenvermerke gebe, deren Existenz er eine Woche zuvor abgestritten und die er dann zu bloßen Notizen umdeklarieren wollte. Das habe er nur aus juristischen Gründen getan, versucht er sich zu rechtfertigen und schiebt die Schuld auf seine Untergebenen: »Meine Fachleute sagten mir, dass die Vermerke dem Steuergeheimnis unterlegen haben.« Nun aber habe ja alles in der Zeitung gestanden, sei deshalb öffentlich, und mithin sei damit kein Hinderungsgrund mehr gegeben, darüber zu sprechen. Bizarrer dürfte es kaum gehen. Jüptner, vor seiner Berufung an die Spitze des Steuer-Landesamtes immerhin einige Jahre lang Richter am Bundesfinanzhof, dem höchsten deutschen Gericht für Steuern und Zölle, braucht Beamte, die ihm erklären, was ein Steuergeheimnis ist und was nicht. Florian Streibl, der die Affäre Mollath seit Monaten im Landtag thematisiert wie kein zweiter Parlamentarier, misstraut Jüptner. »Ich fühle mich nach wie vor nicht ausreichend und abschließend informiert«, sagt der Rechtsexperte der Freien Wähler. »Viel mehr als Antworten gibt es wieder einmal mehr Fragen.«
Es sind genau solche Verhaltensweisen wie die Jüptners, die über Jahre hinweg an wesentlichen Schnittstellen im Fall des Gustl Mollath den Eindruck erwecken, dass es mit Wahrheit und Aufklärungswillen, mit rechtsstaatlichen Grundsätzen und Korrektheit nicht weit her war – und ist. Sind das tatsächlich nur dumme Zufälle? Oder wurde, wie Mollaths Anwalt Gerhard Strate in anderem Zusammenhang formulierte, das Recht absichtlich gebeugt und gebrochen?
Für Strate steht angesichts der Aktenvermerke aus der Nürnberger Steuerfahndung außer Zweifel, dass Brixners Anruf der Grund für die Steuerfahnder war, den von Gustl Mollath erhobenen Schwarzgeldvorwürfen von vornherein keinen Glauben zu schenken und keine Ermittlungen aufzunehmen. Man machte sich erst gar nicht die Mühe, die Angaben auf Substanz zu prüfen. Eine für Mollath verhängnisvolle Entscheidung, denn sie hat seinen Weg in die Psychiatrie
Weitere Kostenlose Bücher