Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
sich. Die Regensburger Staatsanwälte dürfen ab sofort nichts mehr über ihre Arbeit im Fall Mollath sagen. Rückschlüsse? »Müssen Sie selber ziehen«, sagt ein beteiligter Staatsanwalt. Als Dienstherr der Regensburger Staatsanwaltschaft darf Nerlich das Auskunftsrecht zwar formal an sich ziehen. Konkret aber ist das höchst ungewöhnlich.
Dass er nun die Deutungshoheit an sich ziehe, sei völlig in Ordnung, schließlich sei er der Dienstvorgesetzte, antwortet Nerlich auf eine Anfrage von uns. »Was daran ungewöhnlich sein soll, vermag ich nicht nachzuvollziehen«, schreibt er. Was aber weit bedenklicher ist und aufhorchen lässt, ist ein anderer Satz in seinem Antwortschreiben: »Nach meiner Kenntnis hat die Regensburger Staatsanwaltschaft bisher lediglich erklärt, die Voraussetzungen für einen eigenen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu prüfen.«
Was heißt das? Dass ein Wiederaufnahmeantrag nur geprüft wird? Lautet nicht die klare Ansage von Justizministerin Merk und von Nerlich selbst in seiner schriftlichen Anweisung an die Regensburger, einen Wiederaufnahmeantrag zu stellen? Wird also lediglich geprüft (mit dem möglichen Ergebnis, dass man doch kein Wiederaufnahmeverfahren anstreben wird), oder müssen die Regensburger den Antrag bei Gericht definitiv stellen? Es sind Widersprüche wie dieser, die Nerlichs Rolle in diesem Fall so angreifbar machen.
Denn letztlich ist klar, dass es nicht nur um die öffentliche Deutungshoheit geht, als Nerlich den Regensburger Staatsanwälten einen Maulkorb verpasst und darauf besteht, fortan als Einziger darüber öffentlich reden zu dürfen. In Wirklichkeit geht es darum, dass die Regensburger ihre Erkenntnisse beim Generalstaatsanwalt in Nürnberg vorlegen müssen. Mithin also in letzter Konsequenz in Nürnberg, und nicht in Regensburg, entschieden wird, ob und unter welchen Umständen ein Wiederaufnahmeverfahren beantragt wird, welche möglicherweise aufgedeckten und für einen Antrag relevanten Verfahrensfehler dort erwähnt sind. Vor allem aber: welche nicht. Für sein Vorgehen handelt sich Nerlich reichlich Protest ein. Und das zum ersten Mal nicht nur von der Landtags-Opposition.
Er habe es prinzipiell gut und richtig gefunden, dass mit Regensburg eine Staatsanwaltschaft sich des Themas annahm, die bislang nicht befasst war und deshalb einen unverstellten Blick hat, meint der CSU-Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch, selbst Jurist. Deswegen sei es »mehr als unglücklich, dass nun wieder in Nürnberg geprüft wird, ob das eigene Verhalten korrekt war oder nicht«. Weidenbusch: »Das geht nicht.«
Grüne und Freie Wähler sehen das ähnlich. Gerade Hasso Nerlich sei bisher »durch erschreckende Einseitigkeit zu Lasten von Gustl Mollath aufgefallen«. Er gehöre zu denen, die das Nicht-Vorgehen der Ermittlungsbehörden nach dessen Anzeigen und Hinweisen bis zum heutigen Tag richtig fänden. Dass ausgerechnet Nerlich nun über den Wiederaufnahmeantrag entscheide, sei »absolut inakzeptabel«. Er müsste nun »über die Überprüfung seines eigenen Handelns entscheiden«.
Justizministerin Beate Merk springt angesichts dieser Kritik dem Generalstaatsanwalt zur Seite. Ihr Ministerium verwahre sich dagegen, »einen Staatsanwalt öffentlich zu diskreditieren«, ohne »auch nur den geringsten Beweis für Befangenheit« Nerlichs vorzulegen. Grüne und FW überzeugt das nicht. Sie bringen einen gemeinsamen Dringlichkeitsantrag in den Landtag ein mit dem Ziel, Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich wegen Befangenheit vom Fall Mollath zu entbinden.
Die Begründung dafür liegt auf der Hand. Im Rechtsausschuss des Landtages hat Nerlich behauptet, der Sonder-Revisionsbericht der Hypovereinsbank von 2003 habe keine Belege für steuerstrafrechtliche Verstöße geliefert. »Das war eindeutig die Unwahrheit«, sagt der Grünen-Fraktionschef Martin Runge, der den Bericht kennt.
Dann war da noch jener Artikel in der Zeit vom 28. Februar 2012. Darin heißt es wörtlich: »Ruft man dieser Tage in der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg an, um nach Mollaths Erfolgsaussichten zu fragen, erreicht man reservierte Gesprächspartner. Die Staatsanwälte räumen zwar ein, das Urteil [gemeint ist jenes vom Landgericht vom 8. August 2006, bei dem Mollath dauerhaft in die Psychiatrie eingewiesen wurde; Anm. der Verf.] sei mit einer gewissen ›Schludrigkeit‹ zustande gekommen, bleiben aber bei ihrer Überzeugung, es sei ›im Ergebnis richtig‹. Werde der Fall jetzt auf
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