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Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Titel: Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
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Gemeingefährlichkeit eingewiesen worden. Sollte das von einem Oberarzt einer geschlossenen Anstalt in Deutschland tatsächlich so gesagt worden sein, dann ist das, gelinde gesagt, eine Groteske. Professor Pfäfflin freilich hinterfragt die von ihm zitierte Aussage nicht.
    Entgegen seinen Erwartungen, schreibt Pfäfflin resümierend, habe sich Mollath »unkompliziert« zur Begutachtung und zur Mitarbeit bereit erklärt. Er hätte »vermutlich noch über weitere Stunden Details berichtet, wenn ich dafür zur Verfügung gestanden hätte«. Er habe »durchgängig konzentriert« gewirkt, formal und inhaltlich im Wesentlichen geordnet.
    Mollaths Denken sei nicht zerfahren. Vielmehr argumentiere er im Wesentlichen sachlich und sei darum bemüht, zu belegen, was er vorträgt. Darin wirke er »pedantisch, zwanghaft und unflexibel«. Die Kenntnis der Chronologie seiner Geschichte habe Mollath charakterisiert als unabdingbare Voraussetzung dafür, dass sich sein Gegenüber ein angemessenes Bild von den Hintergründen der von ihm als Unrecht empfundenen Festnahme und Unterbringung in der Psychiatrie machen könne.
    Wenn er über das ihm widerfahrene Unrecht rede, dann wirke Mollath »nicht innerlich angespannt, aggressiv geladen oder voller Wut und Hass«. Es dominiere in solchen Passagen eher »die Anklage«.
    Pfäfflin habe Mollath dann noch Folgendes gefragt: Ob es ihm etwas nützen würde, wenn er als Sachverständiger sagen würde, Mollath sei gar nicht paranoid – so dass er aus Mangel an inhaltlicher Grundlage aus dem Maßregelvollzug entlassen werden müsste. Mollath habe dies »bemerkenswerterweise« verneint und betont: Darum gehe es ihm gar nicht, sondern ausschließlich um ein Wiederaufnahmeverfahren, in dem seine Unschuld festzustellen sei. Insgesamt, stellt Pfäfflin fest, wirke Mollath auf ihn »sehr einsam«.
    Vor dem Befund von Pfäfflin sollte man kurz zusammenfassen, was der Gutachter bislang aus dem Gespräch mit Mollath notiert hat: Unkompliziert findet er ihn. Durchgängig konzentriert. Etwas detailverliebt vielleicht. Im Wesentlichen sachlich. Wenn es aber um die Faktizität des Geschilderten und dessen Nachweis geht, durchaus pedantisch. Allerdings ohne dabei innerlich angespannt, aggressiv oder voller Wut und Hass zu sein. Sondern eher sachlich anklagend. Auch als einsam empfindet Pfäfflin Mollath. In der Klinik unterfordert. Insgesamt aber auf eines fokussiert: auf ein Wiederaufnahmeverfahren.
    Das sind die Eindrücke, die Pfäfflin aus diesem Gespräch mitgenommen hat. Nun kommt die »diagnostische Beurteilung«.
    »Die Einweisungsdiagnose der wahnhaften Störung gilt […] auch heute noch«, schreibt er. Mollath werde das darin bestärken, dass Psychiater, die schon lange tätig seien, »gar nicht mehr zu einem unabhängigen Urteil in der Lage sind«. Habe Mollath doch gehofft, dass er als Gutachter »zur Aufklärung des von ihm behaupteten Bankenskandals« beitrage. So, wie er auch erwarte, dass der für ihn zuständige Oberarzt die Machenschaften der Hypobank aufklären solle, so dass mit ihm über anderes kaum ins Gespräch zu kommen sei. Allein das spreche für eine verzerrte Realitätswahrnehmung, denn diese Personen seien weder Kriminalisten noch Juristen und hätten bei ihren Beurteilungen »zunächst einmal von den Feststellungen des rechtskräftigen Urteils auszugehen«. Die falschen Adressaten also.
    Die Überprüfung, ob sich Mollath aufgrund eines Komplotts hinter Klinikmauern befindet und ob ihm »die dem Urteil zugrunde liegenden Tatsachen zu Unrecht unterstellt wurden, ist nicht Sache des Gutachters«.
    Alle diese Feststellungen stimmen vermeintlich. Die Gutachterzunft kann sie für sich in Anspruch nehmen, womöglich muss sie das sogar. Aber alle tragen sie zur fatalen Mechanik des Fall Mollaths bei. Und das auf beklemmende Weise.
    Während das Gericht auf das Urteil der Gutachter verweist, es mehr oder minder einfach abschreibt, bestenfalls paraphrasiert und sich kein eigenes Urteil zutraut. Während also die Justiz sich auf die sogenannten psychiatrischen Sachverständigen verlässt, verlassen sich die sogenannten Sachverständigen ebenso blind auf die Justiz. Wird schon richtig sein, was die Psychiater sagen, sagen die Juristen. Wird schon richtig sein, was die Juristen sagen, sagen die Psychiater.
    Pfäfflin ist also vollkommen unschuldig. Allerdings ist seine Bemerkung, Mollath habe auf ihn eine »vage Hoffnung geknüpft«, er als Gutachter solle zur Aufklärung des behaupteten

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