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Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Titel: Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
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Gutachter Pfäfflin drehe sich »völlig im Kreise« und mache sich in »geradezu uneinfühlbarer Weise zum Befehlsempfänger offensichtlich vorgegebener Strukturen«. Auch dieses Schreiben Dieckhöfers geht an Ministerin Merk. Ohne nennenswerte Folgen.

Garmisch-Partenkirchen, 30. April 2011
    Aus dem Jahr 2011 stammt noch ein weiteres Gutachten, das von Friedrich Weinberger, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Auch er hat mit Mollath gesprochen, und der ließ sich von ihm untersuchen. Weinberger kommt zu einem völlig anderen Befund als Pfäfflin wenige Monate vor ihm. Ende April 2011 gelangt er zu der Überzeugung, dass Gustl Mollath unverzüglich aus der Psychiatrie entlassen werden müsse. Er beschreibt Mollaths Persönlichkeit als die eines »altruistisch und sozial engagierten, freundlichen und friedfertigen, eher ängstlichen, etwas zwanghaften, gerechtigkeitssuchenden Menschen«. Seine angebliche psychische Erkrankung sei, so Weinberger weiter, als »reines Konstrukt« anzusehen.
    Belastbare Befunde dafür habe es »offensichtlich von Anfang an nicht gegeben«. Weinberger hat sein Gutachten im Auftrag der »Arbeitsgemeinschaft Solidarität mit Gustl Mollath« erstellt, die sich zuvor gebildet hatte. Er gehört dieser selbst nicht an. Er habe, so betont Weinberger, sein Gutachten »unabhängig von Wünschen und Hoffnungen des Auftraggebers nach bestem fachärztlichem Wissen und Gewissen erstellt«. Vor der Strafvollstreckungskammer Bayreuth aber ist dem Gutachten kein Erfolg beschieden. Gustl Mollath bleibt eingesperrt.

Kapitel 8
    Leben hinter weißen Wänden
    Das erste Gutachten eines Psychiaters in einem Fall. Das Urteil eines Gerichtes. »Gebetbücher« nennt sie Gustl Mollath. Soll heißen: Die Feststellungen eines Sachverständigen oder eines Richters schaffen Fakten, die in der Folgezeit wie in Stein gemeißelt sind. »Daran wird nicht mehr gerüttelt«, sagt Mollath, »das wird dann durchgesetzt auf Teufel komm raus.« Auffälligkeiten in einem Gutachten oder einem Urteil, Fehler gar – hernach interessiere das niemanden mehr.
    Es ist Ende März 2013. Gustl Mollath ist inzwischen ein Medienprominenter, ein unfreiwilliger, versteht sich. Die ersten Interviews mit Medien gingen vor Monaten noch einigermaßen problemlos vonstatten. Dann aber wurden seine Sprechzeiten vom Bezirkskrankenhaus Bayreuth beschränkt. Maximal viermal am Tag darf er zwanzig Minuten lang telefonieren, Gespräche in Mollaths Abteilung dürfen sowieso nicht aufgezeichnet werden. Auch das Interview, das die Süddeutsche Zeitung am 28. März 2013 druckt, wurde telefonisch geführt. Es trägt eine Aussage Mollaths als Überschrift: »Man fühlt sich wie der letzte Dreck.« Mollath erzählt, er spreche aus »einem Kabäuschen mit Telefon auf dem Tisch«, schräg gegenüber vom Personal. »Man hat hier nur eine Pseudo-Privatsphäre.«
    Mollath berichtet in dem Interview auch von seinem Alltag hinter weißen Mauern. Zum Beispiel davon, dass er seit Jahren nachts alle zwei Stunden von Pflegern geweckt wird. Dass in Stasi-Gefängnissen Häftlingen auf ähnliche Weise der Schlaf geraubt wurde, galt und gilt als Indiz für den menschenverachtenden Unrechtsstaat DDR. Für die Praxis in psychiatrischen Kliniken Bayerns gibt es eine offizielle Erklärung: Die Überwachung erfolge zur eigenen Sicherheit, um Suizide der Patienten zu verhindern. »Als würde man für einen Suizid mehr als zwei Stunden brauchen«, sagt Mollath. »Ich wache mehrmals auf wegen dieser Kontrollen in der Nacht. Seit Jahren ist das so.«
    Mollath hat sich in den sieben Jahren in der geschlossenen Psychiatrie strikt geweigert, an Therapien teilzunehmen oder Psychopharmaka zu schlucken. Ein Umstand, der ihm von Anfang an negativ ausgelegt wurde: Da ist einer, der sich nicht helfen lassen will. Der nicht einsieht, dass er krank ist. Und wer sich als Kranker, als psychisch Kranker zumal, nicht helfen lassen will, der kommt eben nicht mehr raus.
    Um abschätzen zu können, wie vor allem der Bayreuther Chefarzt und Gutachter Klaus Leipziger Mollaths Leben in der geschlossenen Anstalt seit Jahren maßgeblich beeinflusst, ist es sinnvoll, beispielhaft ins Jahr 2011 zurückzublicken. Im April 2011 schreibt die Bayreuther Klinik eine Stellungnahme an die Strafvollstreckungskammer am örtlichen Landgericht. Diese muss einmal jährlich die Unterbringung eines Eingewiesenen überprüfen und klären, ob die Bedingungen für eine Unterbringung noch gegeben sind. So steht es im

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