Die Affen von Cannstatt (German Edition)
machen will. Die Tüte bleibt aber im Topf stecken. Panbanisha will sie mit den Fingern rausholen, aber sie ist inzwischen zu heiß. Die Betreuerin schlägt ihr vor, ein Messer zu nehmen. Die Äffin ergreift ein riesiges Küchenmesser und stochert die Tüte aus dem Topf. Sie fällt daneben auf die Gasflamme. Die Betreuerin stößt einen Warnruf aus, und schnell fegt die Äffin die Tüte mit dem Messer hinunter.
Panbanisha kann sich auch unerwartet gut mitteilen. Nicht nur über eine Kommunikationstafel mit Wortzeichen. Mit Kreide zeichnet sie auf den Boden die Wortsymbole, auch wenn Kreise und Striche nicht unbedingt richtig angeordnet sind.
Ein Bonobomann ihrer Gruppe kann Holz sammeln, einen Scheiterhaufen aufschichten, ihn mit einem Feuerzeug anzünden und sich die Lippen an einem heißen Marshmallow verbrennen. Wenn man ihn auffordert, nimmt er einen Wassereimer und löscht das Feuer. Mit einem Stein kann er von einem größeren einen scharfen Splitter abschlagen und ihn als Messer verwenden, um ein Stück Leder zu durchtrennen, unter dem sich etwas zu essen befindet. Die Bonobos im Schutzpark von Iowa benehmen sich unter menschlicher Anleitung wie Steinzeitmenschen.
Auch Till muss an Heidruns Führung teilgenommen haben. Alle Führungskräfte von Peofis haben diese Seminare durchlaufen. Folglich haben sie auch irgendeine Beziehung zum Bonobogehege. Mithin bin ich doch nicht die Einzige im Haus, die sowohl Till kannte als auch die Affen.
Haftbuch, Montag, 22. April
Endlich habe ich einen Ansatzpunkt. Mir ist schwindelig vor Aufregung. Vielleicht spinnt Daniela doch nicht. Vielleicht war es Dr. Seitz, auch wenn es mir schwerfällt, mir vorzustellen, dass Mord ein Mittel des Konkurrenzkampfs sein soll. Aber wer weiß, vielleicht hatte Till ja auch was mit ihr. Selbst wenn Till sie nicht als Konkurrentin empfunden hat, so könnte er bei ihr, ähnlich wie bei Manuela, einen furchtbaren Zorn ausgelöst haben. Manuela hat ihn gegen sich selbst gekehrt. Seitz vielleicht gegen Till.
Aus der empirischen Sozialforschung wissen wir, dass Frauen Konkurrenz anders erleben als Männer. Männer neigen im Konfliktfall zu einem Kampf, in dem ein Oben und Unten ausgefochten wird. Sie erleben diesen Kampf als Aushandlung von Rollen und nehmen Sieg oder Niederlage nicht persönlich. Eine Niederlage ist ein vorübergehendes Stadium der Unterwerfung, das jederzeit veränderbar ist. Frauen dagegen erleben einen Konflikt als eine Krise in einer Beziehung. Sie nehmen sich Sieg oder Niederlage in einem Führungskonflikt zu Herzen. Eine Niederlage wird als persönliche Vernichtung und Ausschluss aus der schützenden Gemeinschaft erlebt. Deshalb habe ich mein Studium abgebrochen, nachdem Schmaleisen versucht hat, mich klein und abhängig zu machen, seine beste Studentin mit dieser sensationellen Entdeckung der Fähigkeit der Bonobos zu morden. Ich hätte es lächelnd ignorieren müssen als Gehabe eines Silberrückens, der seine Vorherrschaft schwinden sieht. Stattdessen habe ich mich und meine Eignung für den Wissenschaftsbetrieb in Zweifel gezogen. Ich dumme Nuss.
Haftbuch, Dienstag, 23. April
Die Nacht kann ich kaum schlafen. Ich denke mir aus, wie man Seitz kriegen könnte. Man muss ihr Leben durchleuchten, die Pförtner befragen, wann sie und Till üblicherweise abends das Haus verlassen haben. Bürosex soll ja häufiger vorkommen, als man denkt. Und irgendwer kriegt immer was mit. In der Peofis arbeiten vierhundert Leute. Wenn ich nur könnte, ich würde mit jedem ins Gespräch kommen, irgendwer würde mir was erzählen.
Wer macht das an meiner Stelle? Ich kann niemandem schreiben und ihn darum bitten, weder Arne, der die nötige Tratschbegabung gar nicht hätte, noch Daniela oder Batari. Denn ich darf nichts schreiben, mit niemandem außer meinem Verteidiger etwas besprechen, was das laufende Verfahren betrifft. Ich muss warten, bis Onkel Gerald kommt.
Fortsetzung Verteidigung Camilla Feh
Die Wilhelma schließt bei Sonnenuntergang, das Affenhaus unabhängig davon immer um Viertel vor fünf. Und ich arbeite bis fünf. Am Wochenende hat wiederum Heidrun frei. Also lege ich mir einen Arzttermin für Donnerstag auf zwei Uhr. Danach kann ich entschuldigt freimachen.
Vielleicht erinnert sich Heidrun an die Peofis-Gruppe und kann mir was erzählen. Und eigentlich müsste sie auch Till erkannt haben, denn ich habe ihn während meiner Studie einmal mitgebracht.
»Die Polizei geht anscheinend nicht davon aus, dass es einer von den
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