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Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Titel: Die Affen von Cannstatt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Pflegern war«, erzählt mir Arne, der in Internetportalen der Zeitungen stöbert. »Es ist eindeutig eingebrochen worden.« Er schaut mich über die Computerbildschirme hinweg an. Ich sehe nur seine braunen Augen.
    Arne ist ein ruhiger Typ, ehrgeizig wirkt er nicht. Er hat es auch nicht nötig. Er ist jung und männlich, hat ein freundliches Gesicht und eine gelassene Art. Man wird ihn brauchen und befördern. Als im September die neue Software zur Gehaltsabrechnung die gesamte Personalverwaltung lahmlegte, ist er auf die Idee gekommen, dass das Programm mit unserer elektronischen Arbeitszeiterfassung nicht kompatibel ist. Die hatte man aber gerade für teures Geld installiert. Arne fand eine Lösung, und Till sorgte dafür, dass es niemand im Haus erfuhr. Aber nicht einmal darüber hat Arne sich aufgeregt. Allerdings nennt er Till nur noch »den Knochen«.
    »Aber wie sind die Einbrecher an die Schlüssel für die Gehege gekommen?«, frage ich.
    »Wahrscheinlich hängen sie dort an einem Schlüsselbrett herum«, antwortet Arne.
    Ich weiß, dass es nicht so ist. Aber das muss Arne nicht erfahren. Und die Pfleger sind sehr gewissenhaft. Ich kenne alle fünfzehn Pfleger des Menschenaffenhauses und der Babyaufzuchtstation. Ich habe mit ihnen im Aufenthaltsraum gesessen und Kuchen gegessen, den der Lehrling mitgebracht hatte. »Da hat es doch schon einmal einen Einbruch in die Wilhelma gegeben«, erinnere ich mich. »Vor ein paar Jahren. Militante Tierschützer.«
    Arne sucht im Internet und stößt innerhalb von Sekunden darauf. »Unbekannte Täter haben die Gehege des Streichelzoos aufgebrochen, Kaninchen und eine Ziege gefangen und sie über die Mauer ins Löwengehege geworfen. Das dürften allerdings keine militanten Tierschützer gewesen sein. Eher böse Buben. Ein Kaninchen kam durch den Aufprall zu Tode, das andere konnte sich irgendwie retten. Die Ziege allerdings fiel der Löwin zum Opfer, die der ahnungslose Pfleger rausgelassen hatte.« Er schüttelt tadelnd den Kopf. »Aber hier haben wir jetzt deine militanten Tierschützer.«
    Die Geschichte hat sich einen Monat nach Ende meiner Studie ereignet. Es kamen nur Drahtscheren zum Einsatz, und der Schaden war gering, weil die meisten Tiere nachts in ihren Häusern sind und Vögel bei Dunkelheit den Weg aus ihren Volieren weder suchen noch finden. Ich war mir damals sicher, dass Till nichts damit zu tun hatte. Er hätte es besser organisiert und kenntnisreicher abgewickelt. Bei ihm wäre mindestens ein Bolzenschneider zum Einsatz gekommen. Damit hätte er übrigens auch die Vorhängeschlösser bei den Affen aufbekommen. Till hätte nicht eher geruht, bis ein paar große Tiere – Okapis oder Giraffen, Zebras oder Büffel – durch den Zoo spaziert wären. Außerdem hätten seine Aktionisten Flugblätter hinterlassen, um zu erklären, warum die Zootierhaltung ein Verbrechen ist und die Behauptung, es werde ernsthaft Artenschutz geleistet, eine Lüge.
    Schon damals hatte ich einen anderen Verdacht. Till und ich sind im Sommer nämlich einmal in einer Kneipe im Bohnenviertel mit einer Kellnerin ins Gespräch gekommen. Im Tauben Spitz war das. Eine alte Schäferhündin hatte ausgiebig an meinen Schuhen geschnüffelt. Die Kellnerin entschuldigte sich für ihre aufdringliche Hündin, die Senta hieß. Ich meinte, sie rieche wohl den Zoo an meinen Schuhen, und erzählte von den Bonobos. Die Kellnerin outete sich als Gegnerin der Zootierhaltung.
    Ihr Name fällt mir nicht ein.
    »Dreißig Prozent der Zootiere kommen«, referiert sie, »immer noch aus Wildfängen, sie leiden unter Platzmangel und Langeweile. Löwenbabys werden eingeschläfert, nachdem sie, solange sie süß und klein waren, Besucher angelockt haben.«
    »Immerhin werden Tiere im Zoo sehr viel älter als draußen«, halte ich gegen. »Ein Zeichen, dass sie sich wohlfühlen.«
    »Oder dafür«, wendet Till ein, »dass sie weniger Parasiten haben. Die meisten Wildtiere sterben nämlich an Parasiten.« Die Kellnerin lauscht Till mit runden Augen. Er behauptet, in meiner Studie könne ich zeigen, dass die Bonobos im Zoo gegen ihre Natur gewalttätig werden.
    »Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann«, wehre ich ab. »Man weiß zu wenig über Bonobos in Freiheit.«
    »Ich glaube aber schon«, ereifert sich die Kellnerin, »dass Tiere in Gefangenschaft sich widernatürlich verhalten. Stell dir nur mal vor, du wärst in einer Wohnung von achtzig Quadratmetern eingesperrt, bekämst dein Essen reingereicht und

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