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Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Die Affen von Cannstatt (German Edition)

Titel: Die Affen von Cannstatt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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protestiert Onkel Gerald und besteht darauf, dass dies nicht ins Protokoll kommt. Weininger trumpft mit dem Pfefferspray auf, das man in meiner Handtasche sichergestellt hat. (Hätte Lisa es doch nur mitgenommen.) Dann kommen die Genspuren von mir zur Sprache: wieder das Taschentuch, die Jacke, die der Tote getragen, der Schlüssel, den man auf dem Boden gefunden hat. Ich sehe den Gesichtern an – denen der Richter und denen im Publikum –, dass mein Schicksal besiegelt ist. Ich war dort. Ich habe beim Einsteigen am Tor ein Taschentuch aus meiner Manteltasche verloren. Ich habe den Schlüssel in der Hand gehalten. Ich habe mit Till gekämpft, um ihn ins Gehege zu befördern.
    Onkel Gerald stellt mit gespielter Verwunderung an den Zeugen die Frage, warum hier ständig von meinen Genspuren die Rede sei, nicht aber von den eigentlich zu erwartenden Genspuren Deutschbeins am Tor oder am Fenster zum Affenhaus. Und Weininger muss es aussprechen: Es gibt keine. Er dürfte Handschuhe getragen haben. Sie fanden sich in seinen Jackentaschen. Das Pfefferspray wurde hingegen nicht gefunden, was auf die Anwesenheit einer zweiten Person schließen lässt, die es vom Tatort entfernt hat. Gemeint bin ich. Und Faserspuren von Tills Kleidung am Tor und am Fenster zum Affenhaus hat man ja gefunden. Ebenso wie Fasern von der Kleidung der weiteren Person. Jeans und Kunstfaser, wie man sie für Sport-Funktionsjacken verwendet. Nein, unter den in meiner Wohnung sichergestellten Kleidern hat sich nichts Entsprechendes befunden. Aber das hatten wir ja schon. Sie sind entsorgt worden. Das denken hier jetzt alle.
    Man muss sich die Dinge ja nur erklären können, dann werden sie zur Gewissheit.
    Abends dann noch Heidrun. Sie hat drei Stunden draußen gewartet. Sie schildert die Auffindesituation der Leiche. Nein, sie hat kein Pfefferspray gefunden, auch nicht aufgelesen und vom Ort entfernt. Nur einmal rutscht ihr Blick zu mir. Sie presst die Lippen zusammen.
10. Juli
    Der DNA-Gutachter des Landeskriminalamts erklärt die Mischspuren auf dem Schlüssel. Komplizierte Rechnungen mit binomischer Formel. Es konnten sechs Allele pro System festgestellt werden, was auf mindestens drei unterschiedliche Spurengeber schließen lässt. Drei? Identifiziert werden konnten die Spuren von Till und mir. Der Dritte ist unbekannt und marginal. Ein deutlich unterscheidbarer Haupt- und Nebentäter erfordert ein durchgängiges Mindestverhältnis der Peakhöhen von ca. 4 zu 1 für alle heterozygoten Systeme. Der Richter fragt nach. Der Experte erklärt, dieses unterschiedliche Verhältnis von meiner zu Tills DNA sei auf dem Schlüssel nicht gegeben, hingegen zum Dritten schon. Mit anderen Worten, Till hat den Schlüssel ebenfalls in der Hand gehabt, ebenso wie ich. Der Dritte ist nicht relevant für das Geschehen.
    Was bedeutet das jetzt?, frage ich Onkel Gerald nach der Mittagspause. Ist das nicht ein deutlicher Hinweis, dass Till sich selbst das Gehege aufgeschlossen hat? Er hat agiert, er war nicht nur Opfer. Onkel Gerald nickt. Entscheidend wird aber sein, wie das Gericht das bewertet. Es vertagt sich auf nächsten Dienstag.
17. Juli
    Zum ersten Mal habe ich die Lederjacke gesehen, die Till anhatte und an der meine Genspuren sichergestellt wurden. Und fast hätte ich laut herausgelacht. Es ist meine Jacke. Sie hat mir mal gehört. Urplötzlich erinnere ich mich. Als Schülerin hatte ich mir so eine Jacke auf dem Stuttgarter Flohmarkt gekauft, Herrenschnitt siebziger Jahre. Ich hatte sie auch in Tübingen noch, habe sie aber schon bald nicht mehr angezogen, weil eine Veganerin in Tills Freundeskreis mich deshalb angemacht hatte. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich sie bei meinem Auszug aus Tills Tübinger WG mitgenommen habe. Ich habe sie nie vermisst. Till hat sie offenbar aufgehoben.
    Das sage ich Gerald, bevor man mich nach Gotteszell zurückbringt. Kein Wunder, dass man an den Sachen meine DNS gefunden hat, ich habe sie mehrere Jahre getragen. Man muss herausfinden, warum Till sie angehabt hat. Dafür muss es eine Erklärung geben.
    Hast du eine?, fragt er mich.
    Ich habe keine. Sie hat ihm aber gepasst, er war ein schmächtiger Mann, nicht größer als ich. Damit können wir doch jetzt beweisen, dass ich es nicht war, die mit ihm in die Wilhelma eingestiegen ist.
    Kannst du denn schlüssig beweisen, dass die Jacke früher einmal dir gehörte?, fragt er.
    Wie soll ich das denn machen?
    Gibt es Fotos?
    Ich weiß es nicht. Meine Pflegeeltern haben nicht

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