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Die Ahnen der Sterne: Roman (German Edition)

Die Ahnen der Sterne: Roman (German Edition)

Titel: Die Ahnen der Sterne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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mir zur Flucht verholfen, als ich einsam und verlassen und dem Tod geweiht war. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie mächtig er ist und wie mächtig er mich machen wird. Hast du auch so jemanden, der sich deiner annimmt, dich beschützt und dich rettet? Ich glaube, wir beide kennen die Antwort.«
    Julia schaute mit ausdrucksloser Miene aufs ruhige Meer hinaus. Sie wusste nicht, wer dieser Gott war, und fühlte sich innerlich leer.
    »Wie geht es jetzt weiter?«, fragte sie.
    »Es gibt noch viel zu tun«, sagte Talavera. »Wir brauchen deinen wundervollen Intellekt, um das Projekt rechtzeitig abzuschließen. Aber wir dürfen das Risiko, dass du erneut Fluchtpläne schmiedest, nicht mehr eingehen. Kurz gesagt, es ist Zeit für eine Julia-Ektomie!«
    Von allen Seiten drang Dunkelheit auf sie ein. Ihr Gesichtsfeld verengte sich auf ihr rechtes Auge, und sie spürte ihren Körper nicht mehr, weder Hände noch Beine, weder Mund noch Nase. Sie spürte gar nichts mehr, sondern sah mit ihrem rechten Auge nur noch einen kleinen Ausschnitt des blauen Himmels.
    »Dieser Nanostaub … also, der ist wirklich vielseitig einsetzbar«, vernahm sie Talaveras Stimme, sehr nah und überdeutlich. »Er kappt Verbindungen rund um die Persönlichkeitszentren, hauptsächlich solche, die mit Motivation und Stimmung zu tun haben. Sollte dich hübsch apathisch machen, und wenn du aufwachst, ist alles vorbei, und du befindest dich in einer anderen Galaxis. Wer weiß, vielleicht findest du sogar Gefallen daran!«
    Es wurde still um sie. Der blaue Himmel färbte sich silbergrau, und es tauchte eine Reihe quadratischer silberner Nischen auf, die eine Art Gitterwerk bildeten, dessen Linien in der Ferne konvergierten. Julia ließ sich in eine der Nischen sinken, tauchte in deren Schatten ein. Ihr Zorn flammte auf, verflüchtigte sich gleich wieder. Das Bedürfnis, sich Talavera zu widersetzen, schwand, ihr Trotz machte Teilnahmslosigkeit Platz. Julia war es nun zufrieden, aus ihrer quadratischen Nische hinauszuschauen. Das von oben herabfallende Licht machte tiefer Dunkelheit Platz, bis es nichts mehr gab, womit sie sich hätte beschäftigen können.
    … initialisiere Kontingenzzustand … initialisiere Kontingenzzustand …
    Diese seltsamen Worte erschienen auf der Nischenwand, blassblaue Leuchtbuchstaben, die unentwegt pulsierten.
    … initialisiere Kontingenzzustand …
    Die Worte kamen ihr bekannt vor, denn sie bezogen sich auf eines der Autofeatures, die sie ganz zu Anfang in die Polymote einprogrammiert hatte.
    … initialisiert … Nano-Intrusion ausgearbeitet … partitionierte Kortexknoten umlenken? j/n …
    Über der j/n-Option stand ein kleiner leuchtender Stern, und Julia stellte fest, dass sie ihn mit bloßer Willenskraft bewegen konnte. Als sie ihn über dem »j« platzierte, erschienen weitere Worte.
    … schrittweise Wiederverbindung initialisiert … Translokation Subjektivfokus initialisiert …
    Plötzlich war sie in Bewegung, eine wilde Jagd mit zahlreichen verwirrenden Richtungswechseln. Währenddessen konnte sie immer klarer denken, und ihr dämmerte Begreifen. Dies aber war durch eine der Polymotkopien bewirkt worden, die ihren Befehlen folgte – gegnerische Systeme abwehren, Julias Handlungsspielraum stärken und ausweiten. Die schwindelerregende, von abrupten Neunzig-Grad-Kehren bestimmte Hetzjagd verlangsamte sich, bis sie das Gefühl hatte, über einem gleißenden, zitternden, summenden Lichtgeysir zu schweben, der horizontal durch eine Abfolge von Kristallringen führte. Dies war der Datenstrom der Virtualitätskammer, der Zu- und Abfluss, der die Ströme der fünf Metakosmen bündelte, die Talavera in Betrieb hatte.
    Die Zeit ist beschränkt, sagte das Polymot. Möchtest du eine Botschaft über die Schichtnetzverbindung dieses Schiffes senden?
    Die körperlose Stimme des Polymots war verstörend. Ich habe keinen Mund, wollte sie sagen. Wie soll ich …
    Du brauchst nur zu denken.
    »Ich verstehe. Wie viel Zeit habe ich?«
    Die Nano-Intrusion ließ sich leicht umgehen. Die kortikalen Ungleichgewichte werden in weniger als einer Minute die Erfassungsgrenzen überschreiten und Alarm auslösen. Subjektiv bleibt dir mehr Zeit.
    »Ich will die anderen Getunten sehen. Ich will wissen, was sie getan hat.«
    Übergangslos tauchte sie in einen gleißend hellen Datenstrom ein.
    Sie sah Konstantins Labor, so weitläufig und verwinkelt wie eine Stadt, die einzelnen Bereiche vollgestopft mit komplizierten Glasapparaturen,

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