Die Ahnen der Sterne: Roman (German Edition)
Bewegungsabläufe und der Gestik – ist zwar nur eine Annäherung, aber immerhin.«
Sie trug einen Trenchcoat mit Gürtel, eine dunkelblaue Hose und Schuhe mit flachen Absätzen. Nachdem sie ihre Erscheinung in Augenschein genommen hatte, nickte sie.
»Ich danke Ihnen, das ist … äh … ein Fortschritt. Sie haben die Menschen offenbar studiert und wissen über Darien Bescheid. Folglich könnten Sie eine AI der Hegemonie sein. Vielleicht ist es Ihre Aufgabe, lästigen Reisenden aufzulauern.«
»Ganz genau! – Sie glauben gar nicht, wie viele fraktalisierte Menschen hier unangekündigt hereinschneien. Wir stehen sozusagen bis zu den Knien …« Er lachte. »Nein, im Ernst: Ich wurde mit Hegemonie-Technologie erschaffen und sollte der lebenslange Gefährte eines Mannes sein oder jedenfalls der Gefährte seiner persönlichsten Gedanken. Wie in der Hegemonie sind auch alle Erdsphäre-AIs über eine Subraumverbindung mit einem gewaltigen Datenspeicher verbunden, der sogenannten Achsstation, die einen Teil einer jeden AI-Persönlichkeit beherbergt – wenngleich es angeblich auch einige wenige AIs gibt, die völlig autark und autonom sind. Da sie gewisse technische Merkmale miteinander teilen, ist die Achsstation bedauerlicherweise der Großen Nabe untergeordnet, dem Datenspeicher der Hegemonie. Obwohl ich mich an manche Fakten und Ereignisse nicht mehr erinnern kann, habe ich keinen Zweifel daran, dass ich dazu missbraucht wurde, meinen Menschengefährten im Sinne der Hegemonie zu beeinflussen. Deswegen ist mein Verhältnis zu den ehemaligen Lenkern meines Schicksals ein wenig getrübt.«
»Ich verstehe«, sagte sie und fragte sich, wie viel Argwohn in dieser Situation wohl angebracht war. »Und warum Sind Sie hier und nicht im Kopf Ihres Gefährten? Und was heißt das überhaupt, ›hier‹?«
Melancholische Resignation zeichnete sich in seiner Miene ab. »Verantwortlich dafür sind der Zufall und die unergründlichen Beweggründe uralter Maschinen. Mein ehemaliger Gefährte, ein Mann von beträchtlichem Format, war nach Darien gereist, um dort ausgleichend zu wirken. Dann aber wurde er in die Intrigen des bösartigen Utavess Kuros verwickelt, Hegemoniegesandter auf Darien und eine wahre Schlange. Auf der Flucht vor brolturanischen Truppen gelangten wir in den Einflussbereich einer uralten Vorläufer-Intelligenz, die uns prompt voneinander trennte. Mein Gefährte wurde in die Tiefen des Hyperraums befördert, während ich modifiziert und im Schichtnetz ausgesetzt wurde. Der Zufall hat mich hierher zur Zugangsschleuse 87 von Fal-Shol geführt, einem Schichtnetz-Commsatelliten im Orbit von Nekel, einer Grenzwelt des Brolturanischen Pakts.«
Julia nickte. »Sie sprechen von Robert Horst, dem Erdsphäre-Botschafter – alle dachten, er wäre ermordet oder entführt und an Bord des brolturanischen Schlachtschiffs gefoltert worden. Und Sie waren sein AI-Gefährte.«
»Und Sie sind Julia Bryce, getunte Technologin und Theoretikerin, Sprecherin einer Gruppe von Getunten, die am sogenannten Projekt 29 gearbeitet hat. So lauten jedenfalls die Daten, die ich im Verlauf meines erzwungenen Exils aufgelesen habe.«
»Es gab Bedenken bezüglich der Sicherheit unserer sensibelsten Aufzeichnungen«, sagte Julia, die sich fragte, wie viel die AI wusste.
»Ehrlich gesagt, waren die ungefähr so sicher wie eine Papiertüte.« Harry lächelte. »Einige wesentliche Dateien wurden kurz nach unserer Landung auf Darien gelöscht, glaube ich.«
Julia runzelte die Stirn. »Ich finde, in Anbetracht Ihrer Vorgeschichte sollte man das Thema Vertrauenswürdigkeit ansprechen.«
Er nickte. »Dafür habe ich Verständnis. Ich versichere Ihnen jedoch, dass ich seit der Trennung von meinem Gefährten Herr meiner selbst bin und kein Updatestream der Großen Nabe. Ich will es mal so formulieren: Sollte ich jemals einer vollvernetzten AI der Hegemonie über den Weg laufen, würde sie mich augenblicklich zu löschen versuchen, denn ich bin ein verkrüppeltes, unvollständiges Datenwesen, und die Hegemonie kommt sehr gut ohne meinen belanglosen Beitrag zurecht.«
Julia überlegte einen Moment lang. »Okay, aber ich behalte mir ein endgültiges Urteil so lange vor, bis ich mir ein Bild von Ihnen gemacht habe.«
Er verneigte sich. »Dann sollten wir uns jetzt dem Aktuellen zuwenden. Julia, was ist Ihr Anliegen? Was ist Ihr größter Wunsch? Wollen Sie vielleicht Rache nehmen an denen, die Sie verstoßen haben?«
»Rache kommt vielleicht
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