Die Ajima-Verschwörung
durch die Dunkelheit.
Ein paar Minuten später verklang das Geräusch der Motoren.
Zurück blieb ein schweigendes Meer, menschenleer bis auf einen einzelnen Mann.
70
Big Ben
stand bewegungslos am Rande eines großen Unterwassergrabens, der zehn Kilometer breit und zwei Kilometer tief war. Es sah grotesk aus, wie die Bombe in den beiden künstlichen Armen hing. Pitt blickte grimmig den Abhang hinunter, der sich im Dunkel verlor.
Die Geologen hatten für die Explosion, die zum Erdrutsch führen und damit die Tsunami auslösen sollte, einen Punkt ungefähr zwölfhundert Meter unterhalb des Böschungsrandes ausgewählt. Doch die Steigung lag fünf Grad über den Messungen aufgrund der Satellitenfotos. Und schlimmer, sehr viel schlimmer war, daß die obere Sedimentschicht des Grabens aus einer Art Ölschmiere bestand.
Pitt hatte die ausfahrbare Sonde eingesetzt und eine Probe vom Schlick genommen und war angesichts der geologische n Testresultate, die über den Monitor flimmerten, alles andere als begeistert. Er erkannte die Gefahr, in der er sich befand. Es würde ungeheuer schwierig sein, das schwere Fahrzeug davon abzuhalten, in einem Rutsch den ganzen Abhang bis zum Boden hinunterzuschlittern.
Und wenn er sich erst einmal entschlossen hatte,
Big Ben
über den Rand des Grabens rollen zu lassen, dann gab es kein Zurück mehr. Die Kettenglieder konnten nie im Leben genügend festen Halt finden, das Fahrzeug den Abhang hoch und über den Rand vor der Explosion in Sicherheit zu bringen. Er beschloß, wie ein Skifahrer schräg zum Hang weiterzufahren, sobald er die Bombe scharfgemacht hatte. Seine einzige Chance war die, daß die Erdanziehungskraft seine Geschwindigkeit steigern würde und
Big Ben
auf diese Weise den Ausläufern der Lawine entkommen konnte, bevor sie beide von deren Gewalt erfaßt, davongetragen und für die nächsten zehn Millionen Jahre begraben würden.
Pitt war sich der schmalen Gratwanderung zwischen Überleben und Tod wohl bewußt. Er vermißte Giordino an seiner Seite und überlegte, warum wohl jegliche Kommunikation mit der C-5 Galaxy unterbrochen war. Es mußte einen triftigen Grund geben. Giordino und Sandecker hätten ihn nie grundlos allein zurückgelassen. Doch jetzt war es zu spät für Erklärungen und zu früh für einen endgültigen Abschied.
Es war unheimlich und einsam, wenn man keine menschliche Stimme hörte, die einen moralisch aufrüstete. Pitt merkte, wie die Erschöpfung ihn in dichte Wolken hüllte. Er sackte in seinem Sitz zusammen, jeglicher Optimismus schien ihn zu verlassen. Er überprüfte noch einmal die Koordinaten der Stelle, an der die Explosion stattfinden sollte, und sah zum letztenmal auf seine Uhr. Dann schaltete er den Autopiloten ab, übernahm selbst die Kontrolle über
Big Ben
, legte den Vorwärtsgang ein und holperte mit der riesigen Raupe den steilen Hang hinunter.
Nach den ersten hundert Metern wurde der Schwung immer größer, und Pitt begann daran zu zweifeln, ob er das Fahrzeug überhaupt anhalten konnte, bevor er bis zum Boden des Grabens gefahren war. Er merkte, daß ein Abbremsen der beiden Ketten so gut wie keine Wirkung zeigte. Zwischen den Kettengliedern und dem glatten Schlick gab es keinerlei Haftung.
Big Ben
schlitterte über die glatte Oberfläche wie ein Sattelschlepper mit Anhänger auf einer steil abfallenden Straße.
Die kugelrunde Bombe schlingerte wild im Griff der künstlichen Arme. Sie hing direkt in seinem Blickfeld, so daß Pitt gar nicht vermeiden konnte, andauernd dieses scheußliche Ding anzusehen, das möglicherweise seinen eigenen Tod herbeiführen würde.
Plötzlich tauchte ein weiterer entsetzlicher Gedanke in seinem Hirn auf. Wenn die Bombe sich löste und den Abhang hinunterrollte, dann würde er sie wahrscheinlich niemals wiederfinden. Er verkrampfte sic h vor Verzweiflung und Angst – und es war nicht die Angst zu sterben, sondern zu guter Letzt doch noch zu versagen.
Er mußte sich beeilen. Ohne weiter darüber nachzudenken, daß er ein Risiko eingegangen war, das kein Mann, der noch ganz bei Sinnen war, auc h nur in Erwägung gezogen hätte, schaltete er kurzerhand in den Rückwärtsgang und gab Vollgas.
Wild wühlten sich die wirbelnden Ketten rückwärts durch den schlüpfrigen Sumpf; dann verlangsamte
Big Ben
ganz allmählich seine Fahrt, bis das Fahrzeug nur noch im Schneckentempo dahinkroch.
Eine dichte Schlickwolke hüllte das Fahrzeug ein, als er es völlig zum Stehen brachte. Geduldig wartete er, bis er
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