Die Akte Daniel (German Edition)
einem der beiden Betten im Zimmer hocken.
Sie schob sich resolut an Mrs. Terranto vorbei, um mehr zu sehen. Das Zimmer war hübsch, doch dessen Bewohnerin wirkte wie eine Verrückte auf sie. Dabei wusste sie zur Genüge, wie unglückliche Nachtlinge aussahen.
»Hi«, grüßte Berenice. »Ich bin Berenice Stockwell und ein frischer Export der Firma. Nachtling wie du und ich bin eine Katze.«
»Eine Katze? Ich hasse Katzen! Sie sind groß und stinken und bellen! Was willst du hier?« Ellie zog ihre dünnen Beine dicht an den Oberkörper und beäugte Berenice misstrauisch. Ihre Augen waren groß und völlig schwarz, was ihren Blick mehr als nur beunruhigend machte.
Berenice jedoch erstaunte das weniger. »Bellen?«, rief sie verblüfft und sah Mrs. Terranto an, die nicht weniger verwirrt schaute. »Ich belle nicht«, stellte Berenice klar. »Katzen miauen und ich habe das schon seit Jahren nicht mehr getan. Und stinken tu ich auch nicht. Und groß bin ich erst recht nicht. Ich bin sogar ausgesprochen klein. Hör also auf, so einen Schwachsinn zu erzählen!«
»Ich will wissen, was du hier machst!«, beharrte Ellie auf ihrer Frage und ignorierte damit Berenices Erklärungen.
»Berenice wohnt von jetzt an bei uns und braucht noch ein Zimmer«, erklärte Mrs. Terranto ruhig. »Das hier ist das einzige noch freie.«
Ellie sprang auf. »Nichts da, ich wohne hier! Das ist mein Zimmer!« Sie starrte Berenice an. »Du bellst sicher nicht?«, fragte sie eindeutig misstrauisch.
»Nein«, Berenice schüttelte heftig den Kopf. »Ich belle überhaupt nicht. Darf ich hier wohnen?«
Ellie legte den Kopf schief und überlegte. Dann setzte sie sich wieder, zog ein Buch unter dem Bett hervor und schlug es auf – verkehrt herum.
Mrs. Terranto atmete auf. »Das war ein Ja «, erklärte sie Berenice leise. »Mach es dir gemütlich. Deine Sachen werden dir hochgebracht, und alles, was du noch so brauchst, schreib auf und wir besorgen es dir.«
»Ich kann bekommen, was ich will?«, entfuhr es Berenice fast aufgeregt.
»Nun, vielleicht keinen Diamantring, aber sonst ja, innerhalb vernünftiger Grenzen schon«, meinte Mrs. Terranto lachend. »Was Kleidung betrifft, können dir die anderen Mädchen sicher zuerst auch aushelfen. Oder besser, frag Sunday. Sein Geschmack ist hervorragend.«
Berenice konnte es nicht glauben. Sie sollte einen Jungen danach fragen, ob er etwas für sie zum Anziehen hatte? »Ähm, klar«, murmelte sie. »Ich hätte gern Bücher oder so etwas.«
»Bücher kannst du dir unten in der Bibliothek ausleihen; ich zeige dir noch, wo das ist. So, ich denke, ich habe dich erst einmal mit genug Informationen gefüttert. Sicher willst du erst einmal verdauen. Kann ich dich alleine lassen oder hast du noch etwas, was wir erledigen müssen? Ich werde ganz sicher Sunday bitten, nach seiner Stunde gleich zu dir zu kommen. Ich habe jetzt auch Unterricht und meine Schüler warten schon mehr oder weniger gespannt.«
Berenice nickte. »Ich denke, ich komme schon klar«, meinte sie. Mrs. Terranto lächelte ermutigend, warf noch einen Blick auf Ellie, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war, dann ging sie. Berenice wandte sich Ellie zu, die sie offenbar ignorieren wollte.
Das Mädchen starrte noch immer mit intensiver Konzentration auf das falsch herum gehaltene Buch, sah aber schließlich doch unwillig auf, weil Berenice sich einfach neben ihr Bett stellte und sie stumm ansah.
»Hi, wollen wir uns vertragen? Ich würde es gern«, meinte sie zu ihr. »Ich bin ziemlich herumgereicht worden, seitdem ich geflohen bin und ich wäre froh, wenn wir Freunde werden könnten.«
»Vertragen?«, Ellie wirkte erstaunt. »Wir streiten doch gar nicht.« Sie ließ das Buch sinken. »Wie heißt du noch mal?«
»Berenice. Berenice Stockwell. Katze.«
»Ist mir zu lang. Ich nenn dich Berry«, entschied Ellie mit einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Meinen kompletten Namen kann ich mir auch nicht merken.«
Berenice setzte sich auf die Bettkante ihres künftigen Bettes. Es war wunderbar weich und es schien nach etwas zu duften, was ihr irgendwie vertraut vorkam. Der Stoff fühlte sich gut an unter ihren Händen. So ein Luxus!
»Wie heißt du denn vollständig?«, fragte sie nicht ohne Schabernack im Hinterkopf.
»Ellie ... Elen ... irgendwas. Frag die Terranto.« Ellie verzog das Gesicht und setzte sich auf. »Erzähl mir was von dir!«
»Was willst du denn hören?«
»Irgendwas. Wie lange bist du von denen weg?«
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