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Die Akte Daniel (German Edition)

Die Akte Daniel (German Edition)

Titel: Die Akte Daniel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: She Seya Rutan , Neko Hoshino
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lieber sehen? Sonst geht deine unmöglich hohe Meinung von mir noch unvermittelt in den Keller.«
    »Sehen?« Daniel sah ihn verwirrt an. »Man kann es sehen?«
    »Jau.« Sunday sah aus dem Fenster, hinter dem die Sonne gerade unterging. »Gib mir noch fünf Minuten. Aber lauf nicht schreiend davon, ja? Das ist nämlich wirklich normal für jemanden wie mich. Also einen Nachtling.« Er lächelte ein wenig verlegen, als hätte er gerade verraten, wo er kitzelig sei.
    Daniel begriff, dass der Begriff »Nachtling« sich auf eine Fähigkeit bezog, die sich nur bei Nacht bemerkbar machte. Obwohl, das machte Sinn. Er sah an Sunday vorbei; der Himmel war fast dunkel. Es gab keine Farben mehr und lange dauerte es nicht, bis nichts mehr zu erkennen war.
    »Nachtling«, wiederholte er langsam. Sein Herz schlug plötzlich schneller. Er war aufgeregt und wusste nicht einmal, was ihn so in Aufruhr versetzte.
    Sunday musterte ihn und lächelte. »Du schaust so aus, als wolle ich mich gleich in einen Vampir verwandeln und dich aussaugen. Dabei bin ich wirklich origineller, denke ich.« Er stand auf, zog seine Hausschuhe aus – aus schwarzem Plüsch mit Katzengesichtern – und nahm langsam und geduldig alle sieben silbernen Ohrringe aus jedem Ohr. Dann sah er Daniel an. »Soll ich?«
    »Ja, mach. Was auch immer du machen willst«, murmelte Daniel und riss die Augen auf, damit ihm auch ja nichts entging.
    Sunday schloss die Augen, und sein lebhaftes Gesicht wurde ernst und konzentriert, dann entspannte es sich. Zuerst glaubte Daniel, irgendetwas sei mit seinen eigenen Augen nicht in Ordnung, denn Sundays Konturen schienen zu verschwimmen. Doch dann begann der Junge zu schrumpfen, immer weiter, bis nur noch ein Häufchen Kleidung auf dem Boden lag.
    Dafür lugte eine spitze, pelzige Schnauze darunter hervor. Ein schlanker, hellroter Leib mit buschigem Schwanz folgte. Dunkelgoldene Augen musterten Daniel eine Spur prüfend, dann sprang der kleine Fuchs leichtfüßig auf ihn zu.
    Daniel wollte aufschreien und tatsächlich dachte er erst an Flucht. Dann besann er sich jedoch mit klopfendem Herzen.
    »Nachtling«, hauchte er.
    Das war also mit diesem Wort gemeint gewesen und Daniel fragte sich, ob er nicht doch noch laut schreiend durchs Haus laufen sollte. Stattdessen sah er fasziniert zu und versuchte zu verstehen, wie all das möglich war. Langsam kniete er sich hin, sah in die großen, reflektierenden Augen. In der Nacht konnte sich Sunday in einen Fuchs verwandeln und er war ein Nachtling, weil er das nur bei Nacht vermochte. Es war so klar, so logisch. Und doch verweigerte ihm sein Verstand den Dienst. Das hier konnte er nicht mit dem Verstand begreifen. Es war verrückter als seine eigene Fähigkeit und bisher hatte er immer geglaubt, ein Fall für die Irrenanstalt zu sein. Wie hatte er sich geirrt.
    Daniel beugte sich vor und hielt seine Hand hin, als erwartete er, dass Sunday vollkommen ein wildes Tier geworden war und nicht mehr wusste, wen er vor sich hatte. Er überlegte tatsächlich, ob Sunday ihn in diesem Zustand an sich heran ließ. Aber wenn das der Fall gewesen wäre, hätte man ihn dann mit einem Nachtling allein gelassen? Wahrscheinlich nicht.
    Und richtig, als er sich näherte, schloss Sunday nur die Augen und ließ sich die Ohren berühren und dann kraulen. »Ein Fuchs«, wisperte Daniel, nur um seine eigene Stimme zu hören, dann lachte leise. »Du bist ein Fuchs. Ich werde offenbar verrückt. Ich verliere jetzt endgültig den Verstand und träume von Menschen, die sich in Füchse verwandeln. Aber es ist witzig.« Wie zur Antwort biss ihn der Fuchs ganz vorsichtig in die Hand, ohne seine scharfen Zähnchen zu gebrauchen, und leckte dann darüber. Der Schalk schien geradezu in den Knopfaugen des kleinen Tieres zu blitzen, ganz genau wie bei Sunday in seiner menschlichen Gestalt. Stumm erinnerte er Daniel so an seine Worte, dass Sunday nur bei Nacht bisse.
    Ein Weilchen ließ er sich noch von Daniel streicheln, dann sprang er zurück aufs Bett und rollte sich zusammen. Wieder schimmerten die Konturen, und Sunday verwandelte sich zurück. »Du bist nicht weggerannt!«, rief er ehrlich erfreut.
    »Ich bin ja auch verrückt«, erwiderte Daniel, der einen neuerlichen Adrenalinstoß verdauen musste. »Ich träume das alles noch. Ich bin in einem großen Schloss und träume von einem Fuchs. Nein, von einem Fuchs, der ein Mensch ist und der Mensch, der ein Fuchs ist. Hört sich gut an.«
    »Dann mach die Augen zu und wach

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