Die Akte Daniel (German Edition)
die Gänsehaut machte den Eindruck auf Sunday nicht besser.
Dieser zog schnell den Pullover über, der ihm zum Glück fast bis zu den Oberschenkeln ging. »Los, gehen wir, ehe du mir hier einfrierst. Dabei haben wir Juni, tststs ...«
»Was kann ich dafür?«, erwiderte Daniel unzufrieden. Er konnte schließlich nichts dafür, dass er so schnell fror. »Wo geht’s überhaupt lang? Ich sehe das Haus nicht mehr.«
Sunday griff ihn am Arm. »Da lang!« Zielsicher lief er los, obwohl für Daniel der Wald in alle Richtungen gleich aussah.
Sie brauchten dennoch nur einige Minuten, um den Waldsaum zu erreichen, an dem sich direkt der Park der Schule befand. Eigentlich war der Wald nur der wildere Teil des Parks oder der Park der gezähmte Teil des Waldes. Daniel gab es ein Gefühl von Geborgenheit.
Ein paar wenige Erwachsene, vielleicht die Lehrer, frühstückten auf der Veranda, ansonsten war niemand zu sehen. Die Kinder schienen noch zu schlafen.
»Ah, Daniel, Sunday! Wo wart ihr? Ich habe nach euch gesucht!«, hielt sie die unverkennbare Stimme von Mrs. Terranto auf. »Daniel, du bist nicht so gesund, dass du in den Wald könntest. Und so wie du aussiehst, hast du sogar dort geschlafen.« Sie sah Sunday strafend an. »Du hattest auf ihn aufzupassen sollen. Nicht dass er sich den Tod holt und ich dir die Ohren lang ziehen muss. Los, rein mit euch, Jungs!«
Die Gescholtenen ließen sich schnell ins Haus und nach oben scheuchen. Mrs. Terranto verordnete Daniel sofort ein heißes Bad und drohte Sunday an, dass er kein Frühstück bekäme, wenn er nicht zuerst seine überfälligen Hausaufgaben mache. Und so seufzte Sunday über seinen Hausaufgaben und Daniel aalte sich im heißen Wasser. Dafür bekamen sie zum Ausgleich später beide ein ausgiebiges Frühstück, Daniel leider auch noch zeitgleich den unvermeidlichen Tropf.
»Ich nehme an«, hob Mrs. Terranto an, als sie alle auf der Veranda saßen »Dass du jetzt weißt, was es mit den Nachtlingen auf sich hat. Wie ich das sehe, hat dir diese Einsicht in eine Besonderheit der Menschen in ihrer Vielfalt nicht geschadet.«
Daniel schüttelte den Kopf, während er die große Tasse Kakao etwas umständlich absetzte. »Nein, ich bin ihnen gefolgt. Eigentlich bin ich Sunday gefolgt und die Eule hat mich zu ihm geführt, als ich seine Spur verloren habe. Ich meine, Diadree hat mich geführt. Ich wusste aber nicht, dass ich das nicht sollte, äh, durfte.«
»Es ist nicht explizit verboten, aber einfach nicht üblich. Weißt du, die Nachtlinge haben durch ihr gewissermaßen zweigeteiltes Wesen eine sehr zerbrechliche Balance in sich aufrechtzuerhalten, und das gelingt nicht immer. Und obwohl wir hier alle mehr oder minder Begabte sind, bilden die Nachtlinge immer noch einen Kreis für sich. Sie werden nicht direkt abgelehnt, aber ihre etwas sonderbare Art ... Nun ja, es ist schwer. Schwer für sie und schwer für die Menschen, die keine Nachtlinge sind.«
Sunday schüttelte den Kopf. Es war offensichtlich, dass ihm diese Ausführungen nun ganz und gar nicht passten. Er räusperte sich und dozierte mit hoch erhobenem Finger und weitschweifigen Gesten: »Daniel, was sie sagen will: Wir Nachtlinge sind alle erwiesenermaßen gaga. Und Irre soll man hätscheln.« Das Problem auf den Punkt gebracht und damit eindeutig gutgelaunt aufgrund dieser Leistung warf er fünf Stück Zucker in seinen Tee.
»Das ist deine Interpretation, die nicht richtig ist!«, wies ihn Mrs. Terranto erregt zurecht. »Ihr seid nicht gag a . Ihr seid anders. Das heißt nicht, dass ihr verrückt seid.«
Daniel sah verblüfft von einem zum anderen. Dann lächelte er Sunday an. »Klar, wenn man dafür die doppelte Portion von allem Süßem bekommt.«
Mrs. Terranto schaute ihn überrascht an. Dann lachte sie. »Okay, Jungs. Seid wenigstens für den Rest des Tages etwas ruhiger. Die Nacht war für Daniel anstrengend genug und du bist für ihn verantwortlich, Sunday. Bitte vergiss nicht, dass er noch nicht so stark ist wie du zum Beispiel.«
»Ich, stark? Heiße ich Arnold?« Sunday zog entrüstet die gezupften Augenbrauen hoch. Dann blickte er jedoch versöhnlich drein, weil er den Part seiner Verantwortung sehr ernst nahm. »Okay, spiel ich heute Superman und rette Daniel mit harmlosen Brettspielen. Oder wir zünden die Bibliothek an.« Auf Mrs. Terrantos gespielt strafenden Blick hin verschanzte er sich schnell hinter seiner Teetasse.
»Egal was: Hauptsache, es schadet niemandem!«, meinte sie. »Macht
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