Die Akte Daniel (German Edition)
nichts, was ihr noch bereuen könntet«, meinte sie daher und ging.
Daniel blinzelte zu Sunday. »Sie ist total nett!«, stellte er leise fest, damit ihn keiner hörte, der das nicht hören sollte.
»Klar doch. Und sie hat eine Schwäche für Kinder mit solchen ausgesetzten Hundebabyaugen wie den deinen.« Sunday angelte sich das Nutellaglas und begann die Nusscreme mit einem Löffel daraus zu essen, ohne sich damit aufzuhalten, sie auf ein Brötchen zu schmieren. »Also, was willst du heute machen? Ich habe beschlossen, noch ein bisschen sozial zu sein.«
Daniel sah ihn erstaunt an. Weniger wegen der Aussage, sozial sein zu wollen, mehr, dass er das Ziel vorgeben sollte. Sunday war zwar nett, aber er war auch egoistisch genug, um die Vorteile des Babysittens zu sehen und auch zu nutzen. Schließlich bedeutete es keine Schule für ihn. Daniel räusperte sich. »Ich? Ich habe keine Ahnung. Bisher habe ich immer nur versucht, möglichst nicht vor Kopfschmerzen wahnsinnig zu werden. Da war ich eigentlich froh, wenn ich ein wenig Ruhe hatte. Aber jetzt, wenn du eine Idee hast, dann habe ich nichts dagegen. Es sollte nur mit diesem blöden Ding hier gehen!« Er zeigte auf den Tropf. »Ich hoffe, ich muss nicht jeden Tag das Zeug bekommen.«
»Musst du eben mehr essen, damit du groß und stark wirst. Aber damit kommst du eigentlich überall hin. Wir können uns ja in den Park setzen und ich zocke dich beim Monopoly ab.«
Daniel lachte. »Das schaffst du nicht. Ich bin besser als du. Ganz bestimmt.«
»Na, das will ich sehen!«
Den ganzen Tag trieben sich die beiden Jungen draußen herum, nur unterbrochen von ein paar Überfällen der Cafeteria. Daniel hatte zwischendurch immer wieder Hunger, als habe sein Körper begriffen, dass es nun unbegrenzt Nachschub für ihn gab. Er reichte aber nicht an Sunday heran, der im Zweistundentakt ein komplettes Menü verdrücken konnte; Daniel war das schon beim Frühstück aufgefallen, wie unglaublich viel der zierliche Junge futtern konnte.
Wie sie außerdem noch herausfanden, waren sie würdige Gegner beim Monopoly, aber auch bei allen anderen Spielen, die ihnen noch einfielen. Zwischendurch kam Diadree dazu, staubte jeweils eine Umarmung von Daniel und Sunday ab und lief dann vergnügt wieder von dannen. Sie schien sowieso nie schlechte Laune zu haben und war äußerst verspielt, wie Daniel feststellte. Er fand sie lieb und fühlte sich ihr gegenüber fast wie ein großer Bruder. Das gefiel ihm und es war ihm anzusehen. Kleine Kinder hatte er bisher immer nur als nervig und laut empfunden, aber Diadree war da ganz anders.
Mrs. Terranto und Stella sahen sich das Ganze aus gebührender Entfernung an. »Ich schätze, da haben sich zwei gefunden«, meinte die kleine mollige Frau und deutete auf Sunday und Daniel. »So schnell treffen sich selten zwei Menschen und werden aus dem Stand heraus Freunde. Sie haben sogar die Nacht im Wald verbracht.«
Stella zog die Augenbrauen hoch. »Mir kam es ja gleich so vor, als ob unser neuester Schützling ganz dringend etwas Nestwärme braucht. Sunday ist doch ein Nachtling? Zumindest sind ihre Instinkte in solchen Dingen unfehlbar.«
»Nestwärme?« Mrs. Terranto lachte. »Eine treffende Feststellung. Ich weiß auch nicht, warum es ausgerechnet Sunday ist. Ich habe ihn zwar gefragt, aber ich hätte ihn auch nicht halten können, wäre er einfach wieder gegangen und du weißt, dass er das tut, wenn ihm etwas nicht passt. Schließlich war er auch allein und hatte hier keinen. Er wird Diadree bald über den Kopf wachsen. Wenn er erwachsen ist, wird sie immer noch klein und ein Kind sein. Daniel könnte ihm den nötigen Ausgleich geben und der scheint nicht die geringsten Berührungsängste zu haben. Entweder hatte ich Glück, als ich Sunday wählte, oder einen guten Instinkt. Ich sollte mich mal öfter selbst loben.«
»Nein, Sie haben wirklich einen guten Riecher dafür gehabt, Diana«, stimmte Stella zu und fiel in das Lachen ihrer Freundin und Kollegin mit ein, »Hoffen wir nur, dass es so gut weitergeht. Falls der Junge nämlich nicht hier bleiben will, wird es schwierig werden. Sowohl für Sunday als auch für Daniel.«
»Haben Sie etwas herausgefunden? Ich bin leider nicht auf dem Laufenden. In der letzten Zeit neigen alle Jungen dazu, sich die Nase an der Mädchenkabine blutig zu schlagen. Jeden Tag mindestens zwei. Die Hormone steigen an und ich bin nur noch für verletzten Stolz zuständig.«
»Sie Arme. Aber das klingt ja erst
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