Die Akte Daniel (German Edition)
brauchst du nicht. Ich werde dir nicht wehtun. Dass hier ist ein einfacher Test, der nur darauf abzielt, festzustellen, was du kannst, wie stark du bist. Dafür musst du dich jedoch für einen Moment entspannen. Wenn du dich dagegen wehrst, wird es für uns beide unnötig anstrengend, was dazu führt, dass wir beide schlafend vom Stuhl kippen.« Sie lächelte aufmunternd, als Daniel die Augen aufriss. »Schließ am besten die Augen und atme ganz tief und langsam weiter«, riet sie ihm.
Daniel sah sie besorgt an. »Was genau werden Sie machen?«, fragte er. »Ich glaube nicht, dass ich das kann. Ich verstehe es auch nicht.«
»Es ist auch mit Worten ziemlich schwer zu erklären, aber ich versuche es: Ich bin ebenfalls Telepathin und habe gelernt, behutsam in die Köpfe anderer blicken zu können, um mit ihnen zu reden, sie zu untersuchen oder auch um sie zu heilen. Bei anderen Telepathen sind diese Fähigkeiten nicht automatisch so stark in dieser Richtung ausgeprägt. Das Problem ist, dass du es mir durchaus dabei schwerer oder auch leichter machen kannst. Du kannst mich sogar regelrecht »hinauswerfen« oder ebenfalls meine Gedanken lesen, was zu einem Schock führen kann. Es ist nicht zu empfehlen, einfach im Geist eines anderen zu landen, ohne zu verstehen, was passiert und wo man sich befindet. Einfach gesagt, wenn du dich dagegen sträubst und mir gewissermaßen die Tür vor der Nase zu schlägst, wird es schwierig für uns beide, deswegen bitte ich dich, locker zu bleiben. Ich werde dir ganz bestimmt nichts tun und auch nicht in deinen privaten Gedanken herumschnüffeln, denn darum geht es nicht. Ich will nur sehen, wie groß deine Kräfte sind, ob du schon Barrieren errichten kannst und noch ein paar Dinge mehr, die du jetzt noch nicht genau nachvollziehen kannst.«
Daniel presste seine Lippen zusammen. »Dann wird es also nicht wehtun«, fasste er zusammen. Er atmete etwas zittrig tief ein und dann wieder aus. Für einen Moment musste er die Augen schließen, um sich selbst zu beruhigen. »Ich werde mich entspannen. Aber ich weiß nicht, was ich tun oder nicht tun soll. Ich hoffe, es ist richtig.«
»Du musst nichts tun, einfach ruhig bleiben«, sagte Mrs. Terranto leise mit beruhigender, beinahe hypnotisierender Stimme. Sie streckte die Hand aus und legte Daniel zwei Finger ganz leicht auf die Schläfe. Dann schloss sie die Augen.
Zuerst war es für Daniel wie ein leichtes Kribbeln, als würde ein kleines Insekt direkt über sein Gehirn laufen; es kitzelte ein bisschen. Und dann, ganz unvermutet, war da etwas in seinem Kopf. Nein, nicht etwas, jemand. Es war Diana Terranto .
Daniel schnappte nach Luft. Das war intensiv, viel intensiver, als er es sich hatte vorstellen können. Plötzlich wusste er nicht, was er tun sollte. Er merkte nur, dass Panik in ihm aufstieg. Das hier war zu viel für ihn. Andere Menschen immer um sich herum zu haben, ihre Gedanken aufzuschnappen, hatte nichts mit dem hier zu tun. Das hier war kein Gedanke, das war eine vollständige Präsenz. Daniel krallte seine Finger in den Stoff seiner Hose und merkte nicht einmal, dass er sich selbst dabei wehtat. Er versuchte sich zu beherrschen, obwohl er die fremde Anwesenheit in seinem Kopf am liebsten mit aller Kraft hinausgeworfen hätte.
Quälende Sekunden vergingen, und Daniel spürte, wie buchstäblich in seinem Bewusstsein herumgezupft wurde. Erst nur oberflächlich, wie man die Beschaffenheit von Stoff befühlt, dann immer tiefer und eindringlicher. Daniel keuchte auf, und dann war es genauso plötzlich vorbei, wie es begonnen hatte.
Sein Schädel fühlte sich an, als hätte jemand sein Gehirn mit bloßen Händen herausgenommen und dann wieder an seinen Platz gelegt, aber dafür war er wieder mit sich selbst allein.
Mrs. Terranto ließ ihn los. Sie war blass und atmete ebenfalls schwer. Fast mühsam stand sie auf, ging zum Schreibtisch und holte eine Tafel Schokolade, von der sie Daniel sofort etwas in die Hand drückte. »Iss!«, forderte sie ihn auf. »Wir haben beide eben Unmengen Energie verloren.«
Daniel zitterte und konnte das beeiden, wenn es notwendig gewesen wäre. Mühsam stopfte er sich die Schokolade in den Mund. Doch neben dem plötzlichen Hunger hatte er auch Durst bekommen, geradezu wahnsinnig großen Durst. Aber gleichzeitig gierte er nach der Schokolade, weil er merkte, wie gut es ihm tat. Er nahm sich vier weitere Stücke, die er ohne großes Federlesen aufaß. Dann leckte er sich sogar noch die Finger ab.
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