Die Akte Daniel (German Edition)
Wir sollen zurück zur Schule und uns bereithalten, falls jemand noch Unterstützung braucht.« Sie grinste. »Gute Arbeit, sagt er.« Sie unterbrach die Verbindung und wirkte dabei äußerst zufrieden. »Ich glaube, wir waren wirklich gut. Lasst uns weiterfahren. Wir werden in fünf Stunden erst Schlaf bekommen. Also los!«
Die Zwillinge grinsten sich an. »Und da soll noch mal wer sagen, eine kleine Explosion hier und da wäre nicht nützlich!«
13
Ein eleganter Apartmentkomplex, Stadtteil Kensington in London
Demetrius lag leichenblass und mehr tot als lebendig in seiner Wohnung. Er konnte kaum atmen und das seit gut zwanzig Stunden – seitdem er den Angriff auf die Schule gestartet hatte. Er hatte Durst und Hunger, aber sein Körper war so schwer wie ein Stein. Langsam glaubte Demetrius, dass er sterben würde, wenn niemand kommen sollte. Doch wer sollte zu ihm gehen? Wer würde zu ihm kommen? Niemand wagte sich in seine Nähe. Sein Ruf war nicht nur in den Reihen seiner Feinde furchteinflößend. Auch seine Untergebenen fürchteten ihn wie den Teufel, dass sie es vermutlich begrüßten, wenn er endlich weg war. Das war einer der Flüche, die dieser Respekt, der mehr etwas mit Angst zu tun hatte, mit sich brachte. Wenn Demetrius die Kraft dazu gehabt hätte, hätte er gelacht. Der große Traumgänger, hilflos wie ein kleines Kind. Und da war noch etwas: Fearman wartete im Souvoir auf ihm.
Umgeben von Jazzmusik würde er an ihrem Stammtisch sitzen und seinen Lieblingsdrink schlürfen, sich fragen, wo Demetrius blieb ... oder aber er lauerte dort mit zwei Dutzend seiner Tracker auf ihn, bereit, denjenigen endgültig zur Strecke zu bringen, der als Einziger in der Lage gewesen war, die Schule des Ordo ausfindig zu machen.
Demetrius schloss müde die Augen. Sein schwarzer Panther. Er würde ihn wohl nicht wieder sehen. Die Gelegenheit, die Schule zu knacken, hatte sich Demetrius nicht entgehen lassen können, auch wenn es in seine ganze Kraft gekostet hatte. Sie war das, was die Foundation schon lange hatte haben wollen. Das Schlimmste war, dass der Vorstoß nicht so erfolgreich gewesen war, wie sie es gehofft hatten. Das war ein weiterer Fehlschlag in einer langen Liste von Fehlschlägen. Demetrius rechnete nicht damit, dass man ihm diesen verzeihen würde, wenn nicht eines der Kinder, die sie gefangen genommen hatten, etwas mehr aufwiesen als das übliche Grobzeug, das sie sonst einsammelten.
Aber in seinem momentanen Zustand war er auch nicht in der Lage, die neuesten Berichte einzuholen – vielleicht nie wieder. Es machte keinen Unterschied mehr.
Demetrius spürte ein immer stärker werdendes Dröhnen in seinen Ohren. Er brauchte eine volle Minute, um zu begreifen, dass jemand an der Tür klopfte.
Lautlos öffneten sich seine Lippen. Sie waren trocken wie Pergament. Keinen Laut bekam er aus seiner Kehle. Wer auch immer hier her wollte, er musste selbst entscheiden, ob er eintrat oder nicht.
Es klopfte erneut, dann wurde die Klinke heruntergedrückt. Demetrius konnte nicht sehen, wer es war, der gerade eintrat, aber die Schritte klangen vertraut.
Ein dunkler Schatten beugte sich über ihn. Die massige Gestalt von Fearman war erschreckend präsent und stark. Wie eine Pranke schloss sich die Hand von Demetrius’ Geliebtem um dessen Kehle und drohte sie zu zudrücken.
»Dafür, was du getan hast, verdienst du den Tod«, flüsterte Fearman. »Aber der Tod ist zu schnell und gibt dir nicht die Gelegenheit zu bereuen. Du wirst für das, was du getan hast, bezahlen.« Fearman ließ ihn wieder los. Im nächsten Moment hob er Demetrius hoch und verließ mit ihm auf den Armen den Raum.
Es gab niemanden, der ihn hätte aufhalten können. Es gab nicht einmal jemanden, der die Entführung bezeugen konnte. Demetrius merkte jedoch kaum noch etwas; er war bereits zu weit weg, um sich zu fürchten oder sich Gedanken darüber zu machen. Im Gegenteil, Fearmans Gegenwart hatte etwas Tröstliches. Demetrius hatte gewusst, dass es auf die eine oder andere Art so kommen würde, und vielleicht war es letztendlich nicht die Schlechteste. Auch wenn es noch vieles gab, was sie sich hätten sagen können.
14
O.D. Internat für begabte Kinder und Jugendliche in der Grafschaft Hampshire an der Südküste Englands
Daniel erwachte spät am Morgen des Tages nach dem Überfall. Sunday lag mehr oder weniger auf ihm. Er hatte sich diese Nacht verwandelt, war aber wie die anderen Nachtlinge in der
Weitere Kostenlose Bücher