Die Akte Daniel (German Edition)
dazu veranlasst hat?«
»Was genau meinen Sie?«, fragte jemand.
»Es gibt in unseren Reihen etwas, das man Loyalität nennt. Mag sein, dass man nicht jeden mag, der sich hier aufhält, ihn aber aus dem Hinterhalt anzugreifen, weil man ihn nicht mag, ist feige und keines Mitglieds und keines Schützlings des Ordo würdig. Und bevor jemand sich unwissend stellt: Ich meine den feigen Angriff auf Daniel. Will jemand dazu etwas sagen?« Mrs. Terranto schaute sich scheinbar interessiert um, aber ihre Augen funkelten, sodass ihr Ärger auch für den Letzten im Raum spürbar war, ohne dass sie auch nur einen Gedanken darüber aussandte.
Die Klasse schwieg. Einige schienen urplötzlich etwas ungeheuer Interessantes an der Decke gefunden zu haben, die anderen starrten zu Boden. »Wir ... es war doch nur Spaß«, murmelte schließlich einer der Jungen aus der hintersten Reihe.
»Das, was ich festgestellt habe, war ein Angriff auf den Geist eines anderen«, rückte Mrs. Terranto die Ansichten zurecht. »Innerhalb und außerhalb des Ordo ist das ein feindlicher Angriff. Ihn aus den eigenen Reihen auszuführen auf ein Mitglied oder einen Schutzbefohlenen ist inakzeptabel, feige und ehrlos. Die Tat verlangt Bestrafung.«
Alle Kinder zogen die Köpfe ein, nur Daniel sah Mrs. Terranto an. Doch diese ignorierte ihn. »Also, was wäre eine angemessene Bestrafung für solch ein Verhalten?«
Das Schweigen wurde schwerer. Für Daniel war das hier eine Tortur. Er hätte es lieber selbst irgendwie geregelt, auch wenn er im Moment keine rechte Vorstellung davon hatte, wie er das anstellen wollte. Doch was sollten sie von ihm halten? Er war kein Schwächling. Aber er musste auch zugeben, dass er das hier wohl nie allein geschafft hätte. Nur jetzt würde er wohl nie eine Gelegenheit haben, es herauszufinden.
»Ich frage noch einmal: Was wäre die beste Bestrafung? Schulverweis? Für das nächste Schuljahr Zapfenstreich abends um acht Uhr?« Mrs. Terrantos Augen waren unerbittlich.
Daniel fasste sich ein Herz und stand auf. »Vielleicht keine Bestrafung?«, fragte er hoffnungsvoll.
Seine Mentorin sah ihn an. »Warum schlägst du das vor, Daniel?«
»Ich weiß nicht, ob eine Strafe hilft, wenn ...« Daniel atmete tief durch. »Wir wissen alle, was für Gesetze wir beachten müssen. Aber ich hätte das hier gern selbst geregelt. Sie hassen mich. Es wird nicht besser, wenn sie bestraft werden. Dabei weiß ich nicht einmal, wer es war. Es werden alle bestraft und das wäre nicht gerecht. Und ich werde damit auch bestraft.« Den letzten Satz fügte er eine Nuance leiser hinzu.
Er hatte nicht gemerkt, dass ihn die ganze Klasse nun ansah.
Doch da war keine Feindseligkeit in ihren Blicken, nur Verwunderung.
»Gut.« Das Wort hallte schwer durch die Klasse und ließ einige Schüler zusammenzucken. Dann wandte sie sich der Tafel zu. »Ich werde heute von einer Bestrafung absehen. Aber wenn so etwas noch einmal vorkommt, werde ich Maßnahmen ergreifen. Und glaubt mir, ich werde herausfinden, wer es war.« Sie drehte sich wieder um. »So, und jetzt werden wir uns um die Hausaufgaben kümmern.«
Daniel atmete erleichtert auf. Ihm fiel buchstäblich ein Stein vom Herzen.
Die Klasse tuschelte leise, aber kein giftiger Gedanke driftete zu ihm herüber. Es war seltsam, aber auch sie schienen erleichtert. Mrs. Terrantos Zorn war nichts, das man gern auf sich herabbeschwor.
Daniel ignorierte die zaghaften Gefühle um sich, weil er glaubte, dass sie ihn nicht mehr berührten, weil Mrs. Terranto ein Auge auf ihn hatte. So verging die Stunde mit gemeinsamen Studien aller Theorien, die es über die Telepathie, den telepathischen Umgang und alle Arten geistiger Berührungen gab. Einen Partner für die praktische Übung fand er wie immer nicht bei den anderen Schülern – aber bei den Freunden von seiner alten Schule schon.
Zum Glück ging die Stunde schnell herum, allerdings blieben nach dem Unterricht noch ein paar der anderen Schüler am Ausgang stehen, um Daniel abzufangen. Dieser sah sie misstrauisch an.
»Was wollt ihr noch?«, fragte er.
Die Jungen wichen seinem Blick aus, dann schließlich fasste sich doch einer von ihnen ein Herz und nuschelte: »Entschuldige, Daniel. Wir haben nicht nachgedacht.«
»Ähm, ich habe es überlebt«, murmelte dieser peinlich berührt, auch wenn er wusste, dass es dafür keinen Grund gab.
»Trotzdem. Du hättest uns voll die Strafe aufbrummen lassen können. Du hast was gut bei uns.«
Daniel schüttelte
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