Die Akte Daniel (German Edition)
lächelte ihn an und verneigte sich dann leicht. »Sehr gern. Lass uns tanzen«, erklärte er. Augenblicklich wichen alle ein wenig zurück. Daniel und Sunday waren ein ausgezeichnetes Tanzpaar. Irgendwann hatte sich das einmal herauskristallisiert, nachdem Sunday Daniel die Grundschritte beigebracht und ihn mit der Freude am Tanzen angesteckt hatte. Sie harmonierten miteinander, auch wenn sich in der letzten Zeit ihre Beziehung auch für andere sichtbar abgekühlt war, wobei die Gründe dafür teils bekannt, teils im Dunklen lagen. Doch hauptsächlich waren die Umstände dafür verantwortlich. Sie hatten kaum noch Zeit füreinander; sie sahen sich auch nicht mehr beim Unterricht, weil sie völlig andere Fächer belegten. Und wenn sie einmal Zeit hatten, gab es nicht mehr viel zu reden.
»Ich freue mich für dich«, murmelte Sunday und lächelte. »Du hast geschafft, was du wolltest.«
Daniel küsste ihn. »Du bist traurig«, flüsterte er.
»Nein, aber irgendwie ...« Sunday lehnte sich an Daniel. »Ich habe das Gefühl, es geht etwas zu Ende. Es schmeckt irgendwie nach Abschied.«
Daniel nickte. »Ja, wir sind keine Kinder mehr. Es tut weh. Aber andererseits freue ich mich auf das, was vor mir liegt. Ich will der beste Tracker werden. Ich will raus aus der Schule.«
»Ich versteh das schon. Und du kannst dich da draußen nützlich machen, du kannst dich wehren. Ich werde hier nicht rauskommen. Ich freu mich darauf, die Kinder zu unterrichten, denn draußen hätte ich keine Chance.«
Daniel strich ihm über die roten Haare. »Du kannst raus. Du kannst, wenn du es willst. Aber ich kann dich auch verstehen. Die Gefahr ist groß, auch wenn ich glaube, dass es sich lohnt. Ich würde mich freuen, wenn du mitkämst.«
»Mein Paps hat gesagt, wenn ich es wirklich will, würde er mir einen Protector zur Seite stellen. Aber ich will keinen in Gefahr bringen. Deswegen bin ich froh, dass wenigstens du hier weg kannst. Grüß die Welt draußen von mir, ja?«
»Und wenn ich dein Protector wäre?«, fragte Daniel leise.
Sundays Augen wurden größer, aber dann sah er ziemlich resigniert aus. »Ich ... nein. Wenn dir was passierte meinetwegen, würde ich mir das nicht verzeihen. Außerdem habe ich gehört, dass man bereits jemanden für dich gefunden hat, den du beschützen sollst.«
»Dann weißt du aber mehr als ich. Ich dachte, ich würde als Tracker eingesetzt?«
»Es hat sich offenbar kurzfristig eine Planänderung ergeben; ich habe das auch nur im Vorbeigehen gehört.«
Sundays Blick verriet, dass er ganz bewusst gelauscht haben musste, um das in Erfahrung zu bringen. Daniel hatte dabei jedoch genauso wenig ein schlechtes Gewissen wie Sunday selbst.
»Du kennst doch die zahllosen Geschichten über den Shapeshifter ? Ich meine, du weißt, dass er nicht nur eine Geschichte ist. Natürlich weißt du das. Ich stell dumme Fragen!« Sunday atmete tief durch. »Nun, es scheint so, dass einer seiner Protector schwer verletzt wurde und den Job nicht mehr weitermachen können wird.«
»Der Shapeshifter ?«, wiederholte Daniel überrascht. »Man wird ihm sicher einen Protector geben, der mehr Erfahrung hat als ich. Ich bin zu jung und unerfahren. Wie sollte ich ihn beschützen können? Du musst dich verhört haben.«
»Nein, ganz bestimmt nicht. Man wird dich nicht ohne Grund vorgeschlagen haben, denn du bist der Beste des Jahrgangs, und sie denken sicher, jemand Jüngeres kann eher auf einen Teenager aufpassen. Aber wie gesagt, das ist alles noch inoffiziell.«
Daniel sah ihn skeptisch an. »Der Shapeshifter ist zu kostbar und zu wichtig, dass man ihn einen Anfänger übertragen würde.«
»Wir werden es ja sehen.« Sunday lehnte sich wieder an Daniel und wirkte eindeutig zufrieden. Wenn sie sich schon trennen mussten, dann sollte schließlich nur der beste Grund dafür bestehen.
Im stillen Einverständnis tanzten sie weiter miteinander. Nach einer Weile fragte Daniel, was Sunday vorhatte, wenn er ginge.
Dieser zuckte leicht mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Weitermachen, denke ich, irgendwie. Ich werde dich vor allem vermissen.«
»Ich dich auch«, flüsterte Daniel und musste hart schlucken. Ihm wurde vehement bewusst, dass er wirklich ging. Dass er die Schule verlassen würde. Er hatte niemanden außerhalb dieser kleinen Welt mehr, die sein ganzes Zuhause bedeutete und der schönste Teil seiner Kindheit. Zu seiner Familie konnte er nicht mehr zurück. Er würde sie aus der Ferne beobachten, wenn er sie
Weitere Kostenlose Bücher