Die Akte Daniel (German Edition)
über seine besondere Beziehung zu Demetrius wusste. Aber sie hatten es nicht herausgefunden. Es gab kein Indiz dafür. Keine Fragen, kein Misstrauen. Wie und warum, war Fearman schleierhaft. Aber seine Buße dafür war, dass er Demetrius persönlich versorgte. Gefangen, lebendig und bei Gesundheit war der ungewöhnliche Traumgänger wertvoll für den Ordo . Eines Tages konnten sich seine Kräfte vielleicht wieder entwickeln. Gegenüber der Firma jedoch war er auch in diesem Zustand ein starkes Druckmittel. Unter Umständen entschied sich der Albino auch dazu, ein Mitglied des Ordo zu werden.
Nur das würde wohl für immer ein Traum bleiben. Nichts davon stand zur Debatte.
Aber es war schon erstaunlich, dass Demetrius sein typisches Verhalten nicht wirklich geändert hatte, sobald er dazu in der Lage war, einen Teil seines Lebens wieder selbst in die Hand zu nehmen. Noch immer benahm er sich so, als gehörte ihm die Welt, Fearman eingeschlossen. Gefangene führten sich gewöhnlich anders auf.
Auch jetzt saß Demetrius mit betonter Gelassenheit in einem Sessel, die Beine übereinandergeschlagen, wie üblich ganz in Schwarz, und nippte an seinem Tee.
Fearman wusste jedoch, dass Demetrius noch lange nicht soweit war, wie er von sich glauben machen wollte. Er war nicht stark, sondern nach fast zwei Jahren intensiver Pflege eher so schwach wie ein vier Wochen altes Kätzchen – halbwegs sicher auf den Beinen, aber ansonsten völlig hilflos. Fearman goss Demetrius ein und setzte sich an die andere Seite des zierlichen Tisches in den noch freien Sessel.
Demetrius’ rote Augen hefteten sich auf Fearmans. »Gibt es heute keine Sandwiches?«, wollte er wissen. Es war reine Provokation – sein Ton, seine Haltung und sein arrogantes Gesicht.
»Heute gibt es keine Sandwiches«, meinte Fearman jedoch ruhig und wirkte, als würde er es mit einem quengelnden Kleinkind zu tun haben.
»Ich sollte mich bei deinen Vorgesetzten beschweren. Aber halt, ich soll es ja nicht besser haben als all die armen Nachtlinge, die die Foundation eingesperrt hat.«
Demetrius trank ruhig einen Schluck Tee, ohne den Blick von Fearman zu nehmen, damit ihm nicht eine Regung entging. »Vier von damals habt ihr nicht finden können, nicht wahr? Bis heute nicht.«
»Warum weidest du dich immer wieder aufs Neue in diesem Thema, mein Freund?«, fragte Fearman nachsichtig mild, auch wenn ihm die Magensäure ätzend in der Speiseröhre aufstieg. »Du hast es sehr gut hier. Kein Grund zur Klage. Nur frei bist du nicht. Du wirst jedoch nicht gefoltert, du wirst nicht untersucht, du hast es warm und du hast mehr als reichlich zu essen. Beschwer dich also nicht! Du hast es besser als jeder Nachtling in einem eurer Käfige.«
»Ich weiß. Aber es könnte ja sein, dass ich auf die Idee komme und dir verrate, wo eines unserer Labore ist. Würde dich das nicht interessieren?« Demetrius stellte seine Tasse ab. »Solange meine Kräfte nicht zurückgekehrt sind, bin ich genauso sicher vor der Foundation, wie ich es vor und bei euch bin. Sie können nicht wissen, ob und was ich dir erzähle.”
»Mich interessiert es nicht«, wurde Fearman barsch. »Wir haben genug Agenten in der Firma, dass wir auch eines Tages alle übrigen Nachtlinge befreien können, die ihr entführt habt. Alle Nachtlinge. Kein kleiner Wurf, mein Freund, sondern die Zerschlagung der Arroganz der Firma. Es sind Menschen, Demetrius«, flüsterte er. »Lebende, atmende Menschen. Keine wilden Tiere.«
»Denkst du, das wüsste ich nicht? Denkst du, unsere ... Beziehung wäre möglich, wenn ich auch in dir nur ein primitives Wesen sähe? Ich dachte, du kennst mich da besser. Die Methoden der Foundation mögen etwas rüde sein, aber letztendlich läuft es auf das Gleiche hinaus: Wir wollen beide die Macht, die das Wissen bringt.«
»Nicht das Wissen, das Macht bringt?«, kehrte Fearman schlicht um und gab den Vorwurf zurück. »Wir suchen kein Wissen um jeden Preis. Wir haben Zeit. Die Zeit lehrt Geduld. Was wir nicht finden, das finden die, die nach uns kommen. Es gibt keinen Wettlauf.«
»Das sehen wir anders. Auch die Evolution ist nur ein Wettlauf, in dem der Stärkste gewinnt. Wir wollen einfach sichergehen, dass wir gewinnen.« Demetrius sah Fearman von der Seite an. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr alles nur aus völlig edlen, uneigennützigen Gründen tut.«
»Du missverstehst, Demetrius. Wir, der Ordo , bestehen zumeist aus Mitgliedern, die so sind wie ich und du. Wir
Weitere Kostenlose Bücher