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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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hatte er gemeint, sich auch nicht vorstellen, dass eine Frau abends nach der Arbeit frage: Na wie war's heute?, und dass er zwischen Suppe und Pasta antworte: Heute hatte ich mal wieder Herz und Nieren oder einen vollen Magen auf dem Tisch.
    Lagermann betrachtete seinen Beruf als Broterwerb, keinesfalls als Berufung, er war da, wie die meisten Pathologen, so hineingerutscht, einer musste die Arbeit ja machen. Dass sein Ehrgeiz sich in Grenzen hielt, muss daher ebenso wenig erwähnt werden wie die Tatsache, dass er dem Alkohol mehr zusprach, als es dem Organismus eines erwachsenen Mannes zuträglich war.
    Fichte war das ganze Gegenteil: Nicht sehr groß, aber weltoffen und lebensfroh, hatte er eine attraktive Frau und zwei allerliebste Töchter, und seine Karriere stand ganz oben als Lebensziel. Und obwohl Gropius dieser Karriere eigentlich im Wege stand, schien Fichte Gropius zu mögen, jedenfalls beteuerte er das bei jeder Gelegenheit.
    Walter Lagermann hingegen machte aus seiner Abneigung gegen Gropius keinen Hehl, ohne seine Gefühle näher zu begründen. Und so hatte er sich spontan bereit erklärt, als Daniel Breddin, ein Reporter der Bild -Zeitung, mit dem er schon öfter zu tun gehabt hatte, anrief und um ein Gespräch bat. Dass Fichte dabei war, störte nicht weiter, jedenfalls aus Lagermanns Sicht. Die beiden trafen sich alle paar Wochen auf ein Bier, und Lagermann sah keinen Grund, dieses harmlose Vergnügen ausfallen zu lassen.
    Daniel, genannt ›Danny‹ Breddin, sein träges dickliches Aussehen stand im starken Gegensatz zu seinem aufgeweckten, scharfen Verstand –, Danny kam gleich zur Sache: »Über dpa lief heute die Meldung von einem mysteriösen Todesfall im Universitätsklinikum. Was ist da dran, Professor?«
    »Es war Mord«, bemerkte Lagermann sachlich, und Fichte fiel ihm sofort ins Wort: »Aber Walter! So kann man das nicht sagen.«
    Beschwichtigend hob Lagermann die Hände: »Also gut, dann will ich mich anders ausdrücken: Ein Patient hat eine Lebertransplantation nur eine Stunde überlebt. Bei der anschließenden Obduktion habe ich in der transplantierten Leber eine hohe Dosis eines Insektizids festgestellt. Mit anderen Worten, das Organ war vergiftet!«
    Breddin bekam große Augen, er witterte eine Sensationsgeschichte. »Der Tod ist also nicht auf einen ärztlichen Kunstfehler zurückzuführen?«, meinte Breddin fragend.
    Lagermann hob theatralisch die Schultern, sodass sein breiter Schädel beinahe zwischen den Achseln verschwand. »Gregor Gropius besitzt an und für sich einen hervorragenden Ruf!«, erwiderte er in einem Tonfall, der seine Aussage eher in Zweifel stellte.
    Darauf griff Fichte in die Diskussion ein und erklärte an den Reporter gewandt: »Sie müssen wissen, mein Cousin Walter Lagermann und Gregor Gropius können sich nicht leiden, oder besser: Walter mag Gropius nicht, Sie verstehen. Tatsache ist, dass das transplantierte Organ präpariert war, vermutlich durch eine Injektion. Über den Täter und seine Motive kann man nur spekulieren. Jedenfalls ist der Fall dem Renommee unserer Klinik nicht gerade zuträglich. Ich darf Sie aber bitten, dass Sie mich aus Ihrem Bericht heraushalten. Es wäre mir äußerst unangenehm, wenn der Verdacht aufkäme, ich wollte Gropius in den Rücken fallen. Nach meiner Auffassung trifft Gropius keine Schuld.«
    Lagermann grinste breit, kippte einen Klaren in einem Zug hinunter und polterte los, während sein wütender Blick abwechselnd zu Breddin und Fichte wanderte: »Gropius war der verantwortliche Leiter der Operation, also muss er auch dafür gerade stehen, wenn etwas passiert. Oder sehe ich das falsch? Im Übrigen verstehe ich nicht, warum du Gropius schonen willst. Ich bin überzeugt, er würde, wenn er einen Weg fände, die Verantwortung auf dich abwälzen.«
    »Du bist ja verrückt!« Wütend knallte Fichte sein Bierglas auf die Theke, beugte sich zu Lagermann hinüber und zischte so, dass Breddin es nicht hören sollte: »Hör auf zu trinken, Walter. Du redest dich noch einmal um Kopf und Kragen!«
    Lagermann verzog das Gesicht und stieß Fichte von sich: »Quatsch. Ich rede was und mit wem ich will!«
    Da griff Fichte in die Tasche, legte einen Schein auf den Tresen und sagte an Breddin gewandt: »Sie dürfen nicht alles glauben, was mein Cousin im Laufe eines Abends erzählt. Er trinkt manchmal ein bisschen viel und weiß am nächsten Morgen nicht mehr, was er gesagt hat. Und jetzt entschuldigen Sie mich.«
    Dass Fichte seinen

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