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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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sie zu sich. Verlegen zupfte Felicia an ihrer Kleidung, sie verzog das Gesicht, wie Frauen dies beim Make-up vor dem Spiegel tun. Da hörte sie Gropius sagen: »Entschuldigen Sie mein unpassendes Verhalten. Ich weiß nicht, was plötzlich in mich gefahren ist.«
    Im ersten Augenblick fand Felicia die Bemerkung beinahe beleidigend. Noch nie hatte sich ein Mann bei ihr für einen Kuss entschuldigt, noch dazu, wo sie ihn mit Leidenschaft erwidert hatte. Aber dann besann sie sich auf die besonderen Umstände, unter denen die leidenschaftliche Umarmung zustande gekommen war, und sie antwortete: »Auch ich habe mich zu entschuldigen.«
    Als sie sich dann auf den eckigen schwarzen Ledersesseln gegenübersaßen, die Ellenbogen auf die Armlehnen gestützt, die Hände gefaltet, wirkten beide angespannt und verhalten. Keinem gelang es, den rechten Anfang zu finden.
    »Ich musste fort«, begann Felicia schließlich, »ich habe es in dem Haus nicht mehr ausgehalten.«
    Gropius nickte stumm.
    »Tut mir Leid, dass Sie da in etwas hineingezogen wurden, womit Sie offensichtlich nichts zu tun haben. Ich habe nachgedacht, und nach unserem Gespräch und dem Bombenanschlag ist mir klar geworden, dass Sie mit dem Tod meines Mannes wirklich nichts zu tun haben.«
    Gropius, der aufrecht und steif den Blick auf seine ungeputzten Schuhe gerichtet hatte, blickte auf. Er wollte Felicia nur allzu gerne Glauben schenken, doch inzwischen war er vom Gegenteil überzeugt. Es machte für ihn keinen Sinn, dass jemand zunächst Arno Schlesinger auf höchst riskante, ungewöhnliche Weise beseitigen wollte, um dann seine Frau auf nicht minder ungewöhnlich Weise umzubringen. Zwar hatte er nach dem Verhör bei der Kriminalpolizei den Eindruck gewonnen, dass selbst Ingram ihn nicht mehr als Schlüsselfigur des mysteriösen Geschehens betrachtete, aber er selbst konnte nicht mehr länger glauben, dass der Zufall ihm all das beschert hatte. Da gab es den Peilsender an seinem Wagen, die Stimme am Telefon, die ihm nahe gelegt hatte, seine Nachforschungen einzustellen, und Veroniques Erpressungsversuch.
    Seine Gedanken wurden von einem gesprächigen Ober unterbrochen; ein glücklicher Umstand, denn er ersparte es Gropius, auf Felicias Bemerkung zu antworten.
    »Champagner?«, fragte Gropius einladend. »Wir haben beide allen Grund, Geburtstag zu feiern.«
    Felicia nickte.
    Gropius bestellte eine Flasche Veuve Cliquot, und um sich und Felicia abzulenken, erzählte er, dass man im Keller der Witwe Cliquot in Reims hervorragend dinieren könne, wobei zu jedem Gang unterschiedliche Sorten Champagner serviert würden.
    Felicia interessierte sich nicht im Geringsten für Gropius' kulinarische Empfehlung. »Haben Sie eine Erklärung, was den Anrufer bewogen haben könnte, mich vor der Bombe zu warnen?«, unterbrach sie seine Ausflüchte. »Es ist doch ein Widerspruch in sich, mir eine Höllenmaschine ins Haus zu schicken und gleichzeitig zu sagen: Vorsicht, hier ist eine Bombe!«
    Nachdenklich verfolgte Gropius, wie der Ober die Champagnerflasche köpfte und die Gläser füllte.
    »Man will Sie in Angst versetzen, damit Sie irgendwelchen Forderungen nachkommen. Werden Sie erpresst?«
    »Nein.«
    »Oder die Gangster wollten nur Ihr Haus in die Luft jagen, weil sie darin irgendein Beweismittel gegen sich vermuten.«
    »Und warum wollten sie mich dabei verschonen?«
    Gropius grinste: »Vielleicht aus christlicher Nächstenliebe. Wer weiß? – Oder …«
    »Oder?«
    »Ich bin nicht sicher, ob der Anschlag nicht doch mir gegolten hat. An meinem Wagen befand sich ein Peilsender. Angeblich nicht von der Polizei installiert. Man wusste also immer, wo ich mich gerade aufgehalten habe.«
    »Haben Sie Feinde, Professor?«
    Gropius machte eine wegwerfende Handbewegung: »Offenbar mehr als ich befürchtet habe. – Aber jetzt müssen wir anstoßen – auf unser neues Leben!«
    Die Gläser gaben einen jaulenden Klang von sich.

K APITEL 4
    D er Anschlag auf Gropius, der eigentlich Felicia Schlesinger gegolten hatte, versetzte alle an der Aufklärung des Falles beteiligten Dienststellen in Hochspannung. Sprengstoffexperten des Landeskriminalamts analysierten in den Wrackteilen von Gropius' Jaguar Spuren des Plastiksprengstoffs C4, und damit bekam der Fall eine neue Dimension.
    Immerhin lag der letzte Einsatz dieses gefährlichen Sprengstoffs in Deutschland fast zehn Jahre zurück. Sein unerwartetes Auftauchen in den Händen organisierter Verbrecher ließ daher alle Alarmglocken

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