Die Akte Golgatha
er über die Straße zu seinem Wagen ging und ein Auto mit hoher Geschwindigkeit auf ihn zuschoss, wie er gegen seinen Geländewagen geschleudert wurde und für Augenblicke die Besinnung verlor.
Mit Bestürzung verfolgte Felicia seinen Bericht. Gregors Unruhe versetzte auch sie in Angst, trotzdem überlegte sie, wie sie Gropius beruhigen konnte. »Eigentlich bin ich gekommen, um mich bei Ihnen zu entschuldigen«, sagte sie, um ihn auf andere Gedanken zu bringen.
»Entschuldigen? Wofür?« Gropius blieb mitten im Raum stehen und warf Felicia einen Blick zu, der einen erbarmen konnte.
»Vorgestern, Ihr überstürzter Aufbruch! Ich kann verstehen, dass Sie verärgert waren wegen meines Misstrauens. Es muss Sie sehr gekränkt haben, als ich Sie fragte, ob bei der Operation meines Mannes alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Verzeihen Sie!«
Felicia trat auf Gropius zu, fasste seine Hände und sah ihn ernst an. Wie damals, im Hotel, als sie sich unverhofft in die Arme gefallen waren, spürte Gropius plötzlich eine elektrisierende Anziehungskraft, die von ihr ausging. Aber anders als damals wagte er nicht, sie zu umarmen. Er hatte noch nicht in den Spiegel geschaut, aber er konnte sich vorstellen, wie er aussah. Verlegen drehte er den Kopf zur Seite.
»Schon gut«, brummelte er. »Ich war Ihnen nicht böse, wirklich nicht. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich muss dringend unter die Dusche!«
Während Gropius bemüht war, seinen Kater mit abwechselnd kaltem und heißem Wasser zu vertreiben, suchte Felicia in der Küche nach etwas Essbarem, mit dem sie etwas Ähnliches wie ein Frühstück zaubern konnte. Küche und Vorräte zeigten die typischen Merkmale eines verlassenen Ehemannes, ein paar Konserven, in der Hauptsache aber Defizite. Und so war es wirklich beinahe Zauberei, was Felicia innerhalb kurzer Zeit auf den Tisch des Esszimmers brachte.
Kaffee duftete, ebenso Toast, dazu zwei gekochte Eier, ein Glas Honig und Corned Beef aus der Dose standen bereit, als Gropius frisch geduscht und mit neuem Lebensmut aus dem Bad kam. Gregor konnte seine Begeisterung nicht verbergen und küsste Felicia auf die Wange. Es war lange her, seit er an einem gedeckten Tisch so gepflegt gefrühstückt hatte.
Eine Weile saßen sich beide schweigend gegenüber. Dann begann Felicia vorsichtig: »Glauben Sie, dass man Sie umbringen wollte?«
Die Frage, am Frühstückstisch einfach dahingesagt, klang in ihrer Schlichtheit brutal, und Felicia bemerkte ihre Entgleisung sofort; deshalb fügte sie schnell hinzu: »Ich meine, könnte der Anschlag nicht auch eine Warnung sein, damit Sie Ihre Nachforschungen einstellen?«
»Davon bin ich sogar überzeugt!«, erwiderte Gropius. »Diese Leute wollten mich nicht umbringen, sie wollten mir nur einen Denkzettel verpassen, einen Schuss vor den Bug sozusagen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Läge es in ihrer Absicht, mich zu töten, hätten sie nicht nur einmal die Möglichkeit dazu gehabt. Nein, allmählich wächst bei mir der Verdacht, diese Leute brauchen mich.«
Felicia lachte gequält: »Eine absurde Vorstellung.«
»In der Tat; aber nennen Sie mir einen anderen Grund für dieses merkwürdige Verhalten! Bei jedem neuen Ansatz meiner Nachforschungen kommt es zu einer unerwarteten Begegnung, die mir zeigen soll, dass meine Chance, diese Leute zu enttarnen, denkbar gering ist. Rückblickend glaube ich, der gestrige Anschlag könnte zum Ziel gehabt haben, mir alle Knochen zu brechen, um mich in meiner Beweglichkeit zu behindern.«
»Sie sagen das mit einer Gelassenheit!« Felicia musterte Gropius, der jetzt wieder besser aussah. Dann sagte sie: »Der Staatsanwalt hat die Leiche meines Mannes freigegeben. Ich habe eine Feuerbestattung angeordnet, ohne großes Brimborium.«
Gropius nickte peinlich berührt. Solange er seine Unschuld nicht nachgewiesen hatte, fühlte er sich immer noch schuldig.
»Und die beschlagnahmten Akten habe ich auch zurückbekommen. Angeblich wurde nichts gefunden, was die Polizei weiterbrachte.«
Nachdenklich stopfte Gropius ein Stück Toast in sich hinein. Man sah ihm an, dass er mit seinen Gedanken weit weg war. Plötzlich stellte er die Frage: »Hat sich Professore de Luca eigentlich gemeldet?«
Felicia blickte verwundert auf. »Nein, an de Luca habe ich gar nicht mehr gedacht.«
Gropius presste die Lippen aufeinander; dann sagte er: »Merkwürdig, finden Sie nicht auch? Schließlich ging es um zwanzigtausend Euro. Kein Brief, kein Fax, kein
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