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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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sagte: »Herr, wer immer Sie sein mögen, und was immer Sie zu Ihrer merkwürdigen Maskerade veranlasste, Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich Ihnen das Versteck der Akte verrate. Dann ist mein Leben doch keinen Pfifferling mehr wert!«
    Der Monsignore schien verblüfft über das raffinierte Vorgehen des Professors. »Also sagen Sie, wie viel Sie wollen«, krächzte er unwillig. »Noch einmal zehn Millionen?«
    Gropius wusste nicht, was ihn mehr erschreckte, das Millionenangebot an sich oder die Erkenntnis, die sich daraus ergab: Diese Männer mussten Schlesinger umgebracht haben. Aber das warf eine andere Frage auf: Warum hatten sie zuvor Schlesinger mit Geld überschüttet? War Schlesinger einer aus ihren Reihen, einer, der sich von ihnen abgewandt hatte?
    »Ich will kein Geld«, erwiderte Gropius mit gespielter Ruhe. Die Injektionsspritze vor Augen, sah er dem Fortgang der Dinge alles andere als gelassen entgegen. »Das Einzige, was ich will, ist meine Rehabilitierung als Chirurg. Dann sollen Sie die Akte haben. Ich lege keinen Wert darauf.«
    »Das wird nicht möglich sein«, bemerkte der Monsignore schrill.
    »Dann wird es mir auch unmöglich sein, Ihnen das Versteck zu verraten. Bleibt keine andere Wahl als mich zu töten. Worauf warten Sie noch? Übrigens – um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen – Frau Schlesinger hat von alldem keine Ahnung. Sie kennt weder die Bedeutung der Akte noch das Versteck.«
    Der Monsignore schleuderte die Spritze wütend an die Wand und verschwand aus dem kahlen Raum. Im Nebenzimmer vernahm Gropius aufgebrachte Stimmen. Es mussten zwei oder drei sein. So verging eine Weile der Ungewissheit. Gropius fragte sich, ob er zu hoch gepokert hatte, schließlich hatte er es nicht mit Amateuren zu tun. Er wagte kaum zu atmen und hoffte irgendeinen Sprachfetzen zu verstehen – vergeblich. Die Männer redeten in einer ihm unbekannten Sprache aufeinander ein, nicht deutsch, nicht englisch, nicht italienisch.
    Aus der Heftigkeit, mit der die Türe plötzlich aufgestoßen wurde, schloss Gropius nichts Gutes. Er sah nicht, was hinter ihm vorging, und musste mit dem Schlimmsten rechnen. Mit einem Ruck wurde ihm der Sack, mit dem er bereits Bekanntschaft gemacht hatte, über den Kopf gestülpt; dann befreiten sie ihn von seinen Fesseln. Ein brutaler Kerl packte ihn an den Oberarmen und riss ihn in die Höhe. Ein Schlag mit einem Knüppel oder einem Baseballschläger, exakt gegen den ersten Wirbel, streckte Gropius nieder, und er verlor erneut das Bewusstsein.
    Lautes Hupen wie Babygeschrei holte ihn ins Leben zurück. Gropius vermochte kaum den Kopf zu bewegen, und das ungeduldige Hupen brachte seinen Kopf zum Zerspringen. Auf dem Rücken liegend und auf die Ellenbogen gestützt, versuchte er sich zu orientieren: Er lag mitten auf einem schmalen Feldweg, wie sie die einsam gelegenen Bauernhöfe im Norden Italiens miteinander verbinden. Vor ihm tuckerte ein dreirädriges Gefährt, das den Gemüsebauern zum Transport ihrer Ware dient, im Leerlauf. Der Fahrer versuchte, im Glauben, ein Betrunkener schlafe auf der Straße seinen Rausch aus, diesen mit seiner Hupe zu wecken.
    Nur unter großer Anstrengung gelang es Gropius, sich hochzurappeln. Dann torkelte er auf den Fahrer des Kleinlastwagens zu und versuchte ihm klar zu machen, dass er nicht betrunken, sondern überfallen worden war. Der Versuch stieß auf Sprachschwierigkeiten, weil das Italienisch des Professors eher mangelhaft und der Dialekt des Bauern für einen Ausländer unverständlich war; aber ein Geldschein hellte das Gesicht des Landmannes sichtlich auf. Und als Gropius einen zweiten Schein zückte, erbot sich dieser sogar, den seltsamen Ausländer bis an den Stadtrand von Turin zu chauffieren, der, sagte er, etwa zwanzig Kilometer entfernt lag. Eine gute halbe Stunde würden sie schon brauchen.
    Während der Fahrt durch wildes hügeliges Gelände erfuhr Gropius, dass ihn die Kidnapper südwärts in Richtung Asti gebracht hatten, wo sich leer stehende Landhäuser kilometerweit in der Landschaft verlieren. Die Fahrt bis zum südlichen Stadtrand dauerte beinahe eine Stunde, dann stieg Gropius in ein Taxi um und kam gegen 18 Uhr in seinem Hotel an.
    Völlig erschöpft bestellte er sich etwas zu essen aufs Zimmer. Dann nahm er ein heißes Bad. Das Wasser tat seinem geschundenen Körper gut. In wohliger Wärme döste er vor sich hin. Nur langsam, ganz allmählich, kam ihm zu Bewusstsein, was passiert war. Nein, sagte er zu

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