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Die Akte Golgatha

Die Akte Golgatha

Titel: Die Akte Golgatha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Konferenzraum.
    Der alte Haudegen liebte solche Abgänge. Von mehr als zwanzigjähriger Arbeit beim BND geprägt, war er zum Zyniker geworden.
    »Klugscheißer!«, fauchte ihm Peters hinterher.
    Sie ist trotz allem eine wunderbare Frau, dachte Gropius, als er am nächsten Morgen in seinem alten Geländewagen vom Tegernsee nach München zurückfuhr. Ein tiefblauer Himmel wölbte sich über dem Alpenvorland, und letzte Schneereste in schattigen Lagen verteidigten sich hartnäckig gegen die laue Luft des nahenden Frühlings.
    Die Nächte mit Felicia waren von besonderer Eindringlichkeit, besser als alles, was er mit Veronique je erlebt hatte. In einem Lokal am Südufer des Sees, das früher dem Sänger und Schauspieler Leo Slezak als Wohnhaus gedient hatte, hatten sie fürstlich gespeist. Sie hatten Rotwein getrunken und für kurze Zeit ihre Streitigkeiten vergessen. Und natürlich hatten sie miteinander geschlafen. Was heißt geschlafen – Felicia kannte die geheimsten Wünsche eines Mannes, und ein kurzer Blick, eine kleine Regung genügte, um seine Träume zu erfüllen.
    Woran er in ihrer Gegenwart nie dachte, was ihm jedoch auf der Fahrt nach Hause durch den Kopf ging, war die Tatsache, dass ihr Verhältnis ohne den Mord an Schlesinger nie zustande gekommen wäre. Seltsamerweise versetzte ihn diese Erkenntnis in eigentümliche Euphorie, und nicht zum ersten Mal stellte sich Gropius die Frage, was geschehen wäre, wenn Schlesinger ein anständiger Mensch, oder wie immer man das bezeichnen will, gewesen wäre und kein Doppelleben geführt hätte. In solchen Augenblicken erschien ihm, dem Realisten, der sein Leben immer geplant und fest im Griff hatte, alles wie ein Traum – ein Albtraum ebenso wie ein modernes Märchen.
    Vor seinem Haus in Grünwald wartete ein grauer Van. Gropius hatte in den letzten Wochen zu viel erlebt, um an einen Zufall zu glauben. Noch aus sicherer Entfernung erkannte er an dem Auto ein italienisches Kennzeichen. Gropius gab Gas. Er sauste an dem parkenden Auto vorbei, bog zweimal nach links ab und gelangte, im Rückspiegel beobachtend, ob er nicht verfolgt würde, auf die Einfallstraße nach München.
    Er hatte sich nicht getäuscht: Nach wenigen hundert Metern erkannte er im Spiegel den italienischen Van, der in rasender Fahrt und mit blinkenden Scheinwerfern näher kam. Gropius' Herz begann zu rasen. An einer Ampel missachtete er das Rotlicht; trotzdem gelang es ihm nicht, den Verfolger abzuschütteln. Im Gegenteil, das Auto kam immer näher.
    Was tun? Gropius sah die Autoschlange, die sich vor ihm staute. Im letzten Augenblick trat er auf die Bremse. Der Wagen hinter ihm hatte ihn bereits eingeholt. Gregor gab auf. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Er erwartete, dass im nächsten Augenblick bewaffnete Männer aus dem Verfolgerfahrzeug stürmen und ihn aus seinem Wagen zerren würden. Erschöpft ließ er den Kopf auf das Lenkrad sinken und verharrte in banger Erwartung.
    Ein Klopfen an der Scheibe riss ihn aus seiner Starre. Es klang nicht gerade so, als wollte ihn jemand im nächsten Augenblick aus dem Wagen zerren. Gropius blickte auf.
    Vor sich erkannte er das Gesicht Francescas. Sie hatte ihr dunkles Haar unter einer grauen Strickkappe verborgen, und ihre Augen funkelten vorwurfsvoll hinter den randlosen Brillengläsern. Gropius wandte sich um, ob in ihrem Wagen noch andere Gangster warteten; aber das Fahrzeug war leer. Erleichtert rang er nach Luft. Noch immer misstrauisch kurbelte er die Seitenscheibe nach unten.
    »Was soll das?«, herrschte er Francesca an.
    »Erlauben Sie mal«, gab Francesca außer Atem zurück. »Sie zwingen mich zu einer Verfolgungsjagd wie in einem Gangsterfilm und fragen mich, was das soll! Ich will mit Ihnen reden, Gropius, bitte!«
    »Ich wüsste nicht, was es da noch zu reden gibt. Meine Erlebnisse in Turin zählen nicht zu den angenehmsten. Jedenfalls könnte ich mich ohrfeigen, weil ich Ihnen auf den Leim gegangen bin. Ich hätte es mir denken können.«
    »Was hätten Sie sich denken können?«
    »Dass Sie auf mich angesetzt waren. Und jetzt verschwinden Sie! Ich will Sie nie wiedersehen!«
    Inzwischen hatte sich der Stau aufgelöst, und die Fahrzeugkolonne hatte sich in Bewegung gesetzt. Hinter ihnen begann ein wildes Hupkonzert. Gropius fuhr an, aber Francesca ließ sich nicht abschütteln.
    »Wovon sprechen Sie? Wieso soll ich auf Sie angesetzt gewesen sein?«, rief Francesca, während sie sich an Gropius Wagentür klammerte und neben

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