Die Akte Kachelmann
alles andere als Routine. «Wir haben uns allergrößte Mühe gegeben», wird der Kriminaloberkommissar, der den Einsatz leitet, ein halbes Jahr später gegenüber der 5. Großen Kammer des Landgerichts Mannheim beteuern, «wie bei einem Tötungsdelikt.»
Als erstes nimmt das Trio vom Spurensicherungs-Dezernat 43 der Kripo Heidelberg den mutmaßlichen Tatort in Augenschein. «Nichts war zerdeppert», erzählt der Einsatzleiter am dritten Prozesstag, «nichts durcheinander.» Die Wohnung der «Geschädigten», so heißt es im «Spurensicherungsbericht», mache einen schlichten, jedoch sehr ordentlichen Eindruck.
Die Bettwäsche, so fällt den Forensikern im Schlafzimmer auf, ist glattgezogen. Auf der oberen von zwei Decken finden sich «von bloßem Auge sichtbare sekret- und blutverdächtige Antragungen».
Neben dem Bett, unter einem Kleiderständer, auf einem Teppich liegt ein Tomatenmesser, Marke Tramontina, schwarzer Kunststoffgriff, Klingenlänge acht Zentimeter, feine Sägezahnung. Ist das Blut da vorne am Metall? Oder ist es Rost?
Das Messer fehlt in einem Set in der Küche. Es ist das zweitkleinste von sechs. Die Kriminaltechniker fotografieren es, dann heben sie es auf, öffnen einen eingeschweißten speziellen Messertransportkarton. Darin fixieren sie die angebliche Tatwaffe mit sterilem Kabelbinder.
Während die Spurensicherer mit einer Kamera Übersichtsaufnahmen machen, läuft bei der Kripo die zweite Vernehmung vonSonja A. Ja, sagt die Befragte, sie habe das Tatmesser angefasst, aber nur kurz. Und woher stammen die Hämatome an ihren Oberschenkeln? Er habe wohl auf ihr gekniet. Aber das habe sie vor Angst gar nicht richtig mitbekommen. In ihrer Angst habe sie vieles nicht mitbekommen.
Am Kühlschrank in der Wohnung entdeckt die sogenannte «Tatortgruppe» eine Autogrammkarte Jörg Kachelmanns und darunter ein gemeinsames Foto des TV-Moderators mit der Radiomoderatorin. Die beiden sitzen auf dem Sofa in ihrer kleinen Wohnung. Auf dem Bild schmiegt sich Sonja A. an Jörg Kachelmann. Er hat die Arme verschränkt und lächelt freundlich, abgeklärt. Er wirkt wie ein Promi, der mit einem Fan abgelichtet wird. Sie erscheint vertrauter.
Das Foto am Kühlschrank ist das einzige offensichtliche Zeichen dafür, dass Jörg Kachelmann zumindest einmal in seinem Leben diese Wohnung betreten hat. Ansonsten fällt den Forensikern – außer der Flugticketkopie, die auf seinen Namen lautet – nichts auf, was auf ihn hindeutet. Keine Zahnbürste, keine Kleidungsstücke, kein Deodorant. Nichts. Nach elf Jahren. Nichts außer einer Menge DNA-Spuren.
Das Erbgut des Schweizer Gastes müssen die Heidelberger Spezialisten erst noch sicherstellen. Drei Stunden lang nehmen sie Wohn- und Schlafzimmer, Küche und Bad unter die Lupe. Zuerst kümmern sie sich um Blut und Sekret auf der glattgestrichenen Bettwäsche. Die Spuren scheinen dem Kriminaloberkommissar «frisch angetragen». Das meint er, weil die Bettdecke so aussieht, «als ob man sie gewaschen haben will». So wird er vor Gericht als sachverständiger Zeuge aussagen. Der renommierte Rechtsmediziner Bernd Brinkmann, Gutachter der Verteidigung, runzelt die Stirn, als er diese Aussage hört. Im Lehrbuch für Forensiker steht nirgendwo, dass sich das Alter von eingetrockneten Spuren so bestimmen lässt.
Auf der Schwetzinger Polizei werden Finger- und Handflächenabdrücke genommen. Sonja A. werden Fingernägel geschnitten, unter denen sich vielleicht Hautreste Kachelmanns finden, das volle Programm. Es gibt keine Spuren eines möglichen Täters.
In der kleinen Dachwohnung durchsuchen die Kriminaltechnikerden Mülleimer in der Küche. Zuoberst im Abfall stellen sie einen Tampon sicher. Den Faden trennen sie mit einem sterilen Skalpell ab und bewahren ihn gesondert auf. Auch den Tampon sichern sie. Vor jedem Schritt ziehen sie neue sterile Handschuhe über.
Auf der einen Seite der Spüle steht gebrauchtes, auf der anderen sauberes Geschirr. Zwei Personen, so scheint es, haben Nudeln mit roter Sauce gegessen und Weißwein getrunken. Kurz bevor er Sonja A. kennenlernte, elf Jahre ist es her, hatte Jörg Kachelmann einer Fernsehzeitschrift sein Lieblingsessen und -getränk verraten: «Pasta aller Art» und «Mineralwasser, Weißwein und als Kaffeeersatz Coca-Cola light». Ein Topf steht da mit Resten eines Mix aus Nudeln. Im Kühlschrank finden die Kriminaltechniker eine Flasche Pinot Grigio, zu drei Vierteln voll. Sie nehmen alles mit, um es zu untersuchen.
Im Bad,
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