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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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empört.
    »Unglücklicherweise ist das, was Ihre Frau
Tante sagt, die reine Wahrheit,« fiel Clameran ein.
»Wer anders als er hat das Stichwort verraten, wer das Geld in
der Kasse belassen?«
    Diese Einwände schienen auf Magda keinen Eindruck zu
machen. Sie sah den Marquis verächtlich an und fragte:
»Wissen Sie etwa, was aus dem Gelde geworden ist?«
    Diese Beleidigung traf Clameran wie ein Schlag ins Gesicht, er
wurde aschfahl, aber er faßte sich sogleich und sagte:
»Es wird der Tag kommen, gnädiges Fräulein,
an dem Sie bereuen werden, so ungerecht gegen mich gewesen zu sein.
Ihnen aber, gnädige Frau, bin ich noch Aufklärung
über den Zweck meines Besuches schuldig... Ich komme, um Ihnen
zu sagen, daß ich mich als Onkel und Vormund verpflichtet
halte, den durch Raoul angerichteten Schaden gut zu machen; mein Neffe
hat 350 000 Frank entwendet. Ich bringe Ihnen diese Summe –
es ist mehr als die Hälfte meines Vermögens, aber ich
würde freudig alles, was mir noch bleibt, hergeben, wenn ich
dadurch Raouls Besserung erkaufen könnte...!«
    Frau Fauvel war tief gerührt.
    »Nun sind wir gerettet, ich danke Ihnen, Herr
Marquis,« sagte sie, indem sie ihm die Hand entgegenstreckte.
»Sie sind gut, Sie sind edel!«
    Aber Magda war nicht so leicht gewonnen.
    »Was sollen wir mit dem Gelde?« fragte sie.
    »Frau Fauvel wird es ihrem Gatten
zurückerstatten.«
    »Das ist unmöglich, die Tante
müßte Raouls Verbrechen eingestehen, sich selbst
anklagen – das kann nicht, darf nicht geschehen –
nehmen Sie Ihr Geld zurück, Herr Marquis, Ihre –
Großmut kann uns nicht helfen.«
    Clameran verbeugte sich.
    »Ich verstehe Ihre Weigerung und gehorche. An mir
aber wird es sein den geeigneten Weg, das Geld
zurückzuerstatten, ausfindig zu machen.«
    Er erhob sich, um sich zu verabschieden.
    »Sie wissen nicht, gnädiges
Fräulein, wie schmerzlich mir Ihre Ungerechtigkeit
ist,« sagte er, »ich habe, nach dem Versprechen,
welches Sie die Gnade hatten, mir zu geben, auf einen anderen Empfang
gehofft.«
    »Mein Versprechen werde ich halten, aber erst bis ich
sichere Bürgschaft habe.«
    »Bürgschaft? Welche Bürgschaft und
wofür?
    »Wer bürgt mir, daß nach meiner
Verheiratung Raoul seine Mutter nicht aufs neue bedroht? Sie wollen ihm
meine Mitgift geben, aber für einen Verschwender seiner Art
ist dies Geld wie ein Tropfen auf einen heißen Stein. Stehen
Sie mir gut dafür, daß die Tante vor ihm für
immer Ruhe hat, und wie kann ich Ihnen glauben?«
    »Was soll ich nur tun, um Sie von der Ehrlichkeit
meiner Gesinnungen zu überzeugen? Soll ich versuchen Herrn
Bertomy zu retten?«
    »Ich danke für Ihr Anerbieten,«
entgegnete Magda kalt, »wenn Prosper schuldig ist, mag er
zugrunde gehen, ist er unschuldig, so wird Gott ihn
beschützen.«
    Clameran verbeugte sich stumm und ging, da sich die Damen zur
Verabschiedung erhoben hatten.
    »Das Mädchen hat Charakter,« dachte
er, »und ich liebe sie wahnsinnig, sie ist so schön,
so stolz! Sie muß mein werden! Aber wie kann ich ihr die
verlangte Bürgschaft geben, wie beweisen, daß Raoul
seine Mutter nicht mehr quälen wird?«
    Clameran war wütend, so nahe am Ziel, gab es ein
neues Hindernis, Raoul stand ihm im Wege – ei, der Bursche
mußte einfach beseitigt werden! Freilich, er war
mißtrauisch und klug, es würde keine leichte Arbeit
sein, allein – was halfs – es mußte sein!
    Magda hingegen freute sich ihres glücklichen
Einfalls, nun hielt sie Clameran im Schach, sie hatte Zeit und damit
viel gewonnen.
    Durch Herrn Fauvel erfuhr sie und die Tante das Ergebnis der
Untersuchung gegen Prosper, sie wußten, daß er jede
Schuld in Abrede stellte, und schließlich wegen Mangel an
Beweisen freigelassen worden war.
    Frau Fauvel glaubte an Prospers Schuld, ja sie hielt ihn sogar
für den Verführer ihres trotz alle- und alledem
teueren Sohnes.
    Magda dagegen war von Prospers Schuldlosigkeit in ihrem
innersten Herzen überzeugt, und als sie von seiner Freilassung
erfuhr, erbat sie sich von ihrem Onkel – für einen
wohltätigen Zweck, wie sie sagte – 10 000 Frank, die
sie Prosper zukommen ließ. In dem Begleitbriefe, zu dem sie
Buchstaben ans ihrem Gebetbuche schnitt, empfahl sie ihm Frankreich zu
verlassen und jenseits des Ozeans ein neues Leben zu beginnen.
    Ein geheimer, ihr vielleicht selbst nicht ganz klarer Gedanke
leitete sie, sie wollte, falls sie genötigt war, den
verhaßten Clameran zu

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