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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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Tante? Man
beschuldigt Prosper eines Diebstahls und er soll verhaftet
werden!«
    Frau Fauvel stöhnte.
    »Der Marquis oder Raoul haben da ihre Hand im
Spiele,« fuhr Magda erregt fort.
    »Wie wäre das möglich ...?«
    »Das weiß ich nicht, aber Prosper ist
unschuldig, ich habe ihn eben gesehen, gesprochen – er
hätte es nicht gewagt, mir in die Augen zu sehen, wenn er
schuldig wäre.«
    Schon öffnete Frau Fauvel den Mund, um ihrer Nichte
alles zu sagen, als der Bankier eintrat.
    »Der Elende ...,« stammelte er zitternd vor
Wut, »er wagt es, mich zu verdächtigen ... und dieser
Marquis von Clameran, der meine Solvenz in Zweifel zieht ...«
    Und mit kurzen Worten erzählte er, was sich
zugetragen hatte.
    »Aber ich habe es längst kommen
sehen,« schloß er, »bei dem schlechten
Lebenswandel, den Prosper seit Jahr und Tag führt!«
    Am Nachmittage, Herr Fauvel befand sich in seinem
Arbeitszimmer, meldete der Diener plötzlich den Marquis von
Clameran.
    Der Bankier war über diese Frechheit empört,
doch bezwang er sich und sagte: »Ich lasse bitten.«
    Doch der Diener kam zurück und sagte, der Herr
Marquis sei unten im Bureau und lasse den Herrn Fauvel bitten, seinen
Besuch dort zu empfangen.
    Fauvel war über diese Zumutung entrüstet und
ohne seinen Zorn zu verbergen, begab er sich hinab.
    »Was wünschen Sie, Herr Marquis?«
sagte er barsch. »Sie haben ja Ihr Geld erhalten.«
    »Sie sind mir böse, Herr Fauvel,«
entgegnete Clameran mit ausgesuchter Höflichkeit,
»und ich habe es verdient. Ich habe Ihnen unrecht getan und
ich komme, um Ihnen Abbitte zu leisten. Ich habe Sie ersuchen lassen,
mich hier zu empfangen, weil ich wünschte, daß die
Herren hier, die heute morgen Zeugen meines ungerechtfertigten
Betragens waren, auch hören sollen, daß ich Sie
bitte, meine Entschuldigungen entgegenzunehmen.«
    Clamerans gegenwärtiges Betragen stand so im
Gegensatz zu seinem sonstigen Hochmut, daß Fauvel aufs
äußerste überrascht war.
    »Ich muß gestehen,« entgegnete er,
»Ihre Anspielungen, Ihre Zweifel ...«
    »Nochmals bitte ich, verzeihen Sie. Ich war
ärgerlich, erregt, und verlor die Herrschaft über
mich selbst. Trotz meiner grauen Haare bin ich noch heftig und
unbedacht wie ein Jüngling. Aber ich bereue mein Vergehen, ich
versichere Sie.«
    Fauvel, der selbst jähzornig war, aber seine
Heftigkeit stets gleich bereute, hatte Verständnis
für Clamerans Betragen, und da er ihm jetzt mit solcher
Herzlichkeit entgegenkam, war er entwaffnet. Er streckte dem Marquis
die Hand entgegen und sagte: »Es sei alles vergessen, Herr
Marquis.«
    Sie unterhielten sich noch einige Minuten freundschaftlich,
dann erklärte Clameran, daß er sich gern bei Frau
Fauvel melden lassen möchte, aber fürchte, vielleicht
lästig zu fallen.
    »Die gnädige Frau ist sicher sehr aufgeregt
wegen der peinlichen Angelegenheit,« sagte er.
    »Ja, aber ein wenig Zerstreuung wird ihr gut tun und
sie wird sich über Ihren Besuch freuen. Ich aber muß
leider wegen der unseligen Sache aufs Polizeikommissariat.«
    Frau Fauvel war noch immer sehr leidend, aber sie hatte ihr
Zimmer verlassen und lag nun im kleinen Salon auf dem Ruhebette. Magda
saß neben ihr.
    Als der Marquis gemeldet wurde, fuhren beide entsetzt empor.
    Er trat ernst und gemessen ein und verneigte sich
grüßend. Frau Fauvel wies ihm einen Sitz an, aber er
blieb stehen.
    »Sie werden mich entschuldigen, meine Damen, wenn ich
Sie störe, aber ich habe eine Pflicht zu erfüllen
...«
    Und da er keine Antwort erhielt, fügte er leise
hinzu: »Ich weiß alles .«
    Frau Fauvel sah nun voraus, daß er das Geheimnis vor
Magda enthüllen würde und sie machte eine Bewegung,
als wollte sie ihm am Sprechen verhindern, er aber schien es nicht zu
bemerken, er wandte sich Magda zu, welche sagte: »Bitte,
wollen Sie sich deutlicher erklären.«
    »Erst seit einer Stunde weiß ich selbst das
Fürchterliche, weiß, daß Raoul seine Mutter
zwang ihm den Kassenschlüssel auszuliefern und ...«
    Schreckensbleich und entsetzt sprang Magda empor. Sie
faßte die Tante am Arme und sagte tonlos: »Ist das
wahr?«
    »Ach Gott, ach Gott,« stöhnte Frau
Fauvel und barg ihr Gesicht in beiden Händen.
    »Und du hast zugeben können, Tante,
daß Prosper angeklagt und ins Gefängnis geworfen
wurde?«
    »Prosper war im Einverständnis mit
Raoul,« sagte Frau Fauvel mit leiser Stimme.
    »Wie, das kannst du glauben?« rief Magda

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