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Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)

Titel: Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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der den jungen Mann im Auge behält – und nur im Auge behält.«
    »Haben Sie sich schon für einen bestimmten Mann entschieden?«
    »Ja«, sagte General Amit. »Ich habe einen ausgezeichneten Mann für diese Aufgabe vorgesehen. Einen, der absolut verläßlich ist. Er wird den jungen Deutschen lediglich beschatten und mir laufend persönlich Bericht erstatten. Er stammt aus Karlsruhe und kann ohne weiteres als Deutscher gehen.«
    »Und was ist mit Leon?« fragte jemand. »Wird er es sich nehmen lassen, auf seine Art für Gerechtigkeit zu sorgen?«
    »Leon wird tun, was man ihm sagt«, erklärte General Amit gereizt. »Seine Extratouren werden nicht mehr geduldet.«
    In Bayreuth wurde Miller an jenem Morgen von Oster noch mal auf Herz und Nieren geprüft.
    »In Ordnung«, sagte Oster. »Welcher Sinnspruch ist auf dem Griff des SS-Dolchs eingraviert?«
    »Blut und Ehre«, antwortete Miller.
    »Richtig. Wann erhält der SS-Mann seinen Dolch?«
    »Am Ende seiner Grundausbildung«, antwortete Miller.
    »Richtig. Nennen Sie mir den Wortlaut des Treue-Eids auf die Person des Führers.«
    Miller zitierte ihn Wort für Wort.
    »Wiederholen Sie den Blutschwur der SS.«
    Miller wiederholte ihn.
    »Was bedeutet der Totenkopf mit den gekreuzten Gebeinen?«
    Miller schloß die Augen und wiederholte, was man ihn gelehrt hatte.
    »Das Symbol des Totenkopfs stammt aus der germanischen Sage. Es ist das Wahrzeichen der germanischen Krieger, die ihrem Führer und einander wechselseitig unverbrüchliche Treue bis in den Tod und über den Tod hinaus geschworen haben. Daher der Totenkopf und die gekreuzten Gebeine. Sie versinnbildlichen die Welt jenseits des Grabes.«
    »Richtig. Waren alle SS-Männer automatisch Mitglieder der Totenkopfverbände?«
    »Nein. Das waren die Bewachungsmannschaften der Konzentrationslager. Aber der Eid war der gleiche.«
    Oster stand auf und reckte sich.
    »Nicht schlecht«, sagte er. »Ich wüßte nicht, welche allgemeinen Fragen sonst noch an Sie gestellt werden könnten. Nehmen wir uns also jetzt die Einzelheiten vor. Was Sie über das Konzentrationslager Flossenbürg, den Ort ihrer ersten und einzigen dienstlichen Abkommandierung, wissen müssen, ist vor allem folgendes …«
    Der Mann auf dem Fensterplatz der Olympic-Airways-Maschine von Athen nach München wirkte still und in sich gekehrt.
    Nach mehrfachen Versuchen, mit ihm ins Gespräch zu kommen, schien der deutsche Geschäftsmann die Vergeblichkeit dieses Bemühens endlich eingesehen zu haben. Er wandte sich wieder seinem Playboy -Magazin zu. Sein Nachbar starrte unverwandt aus dem Fenster, während unten das Ägäische Meer zurückblieb und die Maschine den sonnigen Frühling des südöstlichen Mittelmeerraums hinter sich ließ, um Kurs auf die schneebedeckten Dolomiten und die Bayerischen Alpen zu nehmen.
    Daß der Mann auf dem Fensterplatz Deutscher war, hatte sich der Geschäftsmann immerhin zusammenreimen können. Seine Aussprache war akzentfrei, seine Kenntnis des Landes offenbar umfassend. Der Kaufmann, der sich auf dem Heimflug von einer Geschäftsreise in die israelische Hauptstadt befand, hatte nicht den leisesten Zweifel, neben einem Landsmann zu sitzen.
    Gröber hätte er sich schwerlich verschätzen können. Sein Nachbar auf dem Fensterplatz war vor neununddreißig Jahren unter dem Namen Josef Kaplan als Sohn eines jüdischen Schneiders in Karlsruhe geboren. Er war drei Jahre alt gewesen, als Hitler an die Macht kam, und sieben, als seine Eltern in einem schwarzen Lastwagen abgeholt wurden. Drei Jahre lang war er auf einem Dachboden versteckt worden, bis er 1940, im Alter von zehn Jahren, entdeckt und ebenfalls in einem Lastwagen abgeholt wurde. Seine Pubertätsjahre verbrachte er bis 1945 in einer Reihe von Konzentrationslagern, die er dank der geistigen und körperlichen Beweglichkeit seiner Jugend überlebte. 1945 hatte er, aus dessen Augen die mißtrauische Scheu eines ungezähmten Tieres flackerte, der ausgestreckten Hand eines Mannes, der in einer fremden, nasalen Sprache auf ihn einredete, etwas entrissen, was »Hershey bar« hieß, und war damit weggerannt, um es in einer entlegenen Ecke des Lagers zu verzehren.
    Zwei Jahre später verfrachtete man ihn auf ein Schiff namens President Warfield alias Exodus . Er hatte jetzt ein paar Pfund zugenommen, war siebzehn Jahre alt und immer noch hungrig wie eine Ratte. Das Schiff war an einer Küste gelandet, die Tausende von Kilometern von Karlsruhe und Dachau entfernt war. Die

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