Die Akte ODESSA: Thriller (German Edition)
in Deutschland namhaft gemacht haben. Dann können wir sie uns Mann für Mann einzeln vornehmen. Unter ihnen muß sich auch der Anwerber der Raketenspezialisten befinden. Seien Sie unbesorgt, den kriegen wir schon – und die Namen der Wissenschaftler, die er nach Kairo schicken will, auch.«
In Bayreuth starrte Miller aus dem Fenster in das Schneetreiben. Er hatte nicht vor, sich telefonisch zu melden, denn er fühlte sich nicht getrieben, nach angeworbenen Raketenspezialisten zu fahnden. Er hatte nur ein Ziel – er wollte Eduard Roschmann jagen und zur Strecke bringen.
Kapitel 11
Am Mittwoch, dem 19. Februar, verabschiedete sich Peter Miller abends von Alfred Oster in dessen Haus in Bayreuth und machte sich auf den Weg nach Nürnberg. Der ehemalige SS-Führer schüttelte ihm lange die Hand. »Viel Glück, Kolb«, sagte er. »Ich habe Ihnen alles beigebracht, was ich konnte. Lassen Sie mich Ihnen jetzt noch einen allerletzten Ratschlag mit auf den Weg geben. Ich weiß nicht, wie lange Ihre Tarnung vorhalten wird. Vermutlich nicht sehr lange. Wenn Sie an irgend jemanden geraten, von dem Sie sich durchschaut fühlen, lassen Sie sich auf keine Diskussionen ein. Machen Sie sich so schnell Sie können aus dem Staub, und schalten Sie sofort wieder auf Ihren echten Namen um.«
Als der junge Reporter die stille Straße hinunterging, murmelte Oster kopfschüttelnd: »Verrückteste Idee, die mir je im Leben begegnet ist.« Dann schloß ei die Haustür ab und ging wieder ins Wohnzimmer.
Miller ging die anderthalb Kilometer bis zum Bahnhof zu Fuß. Der Weg war abschüssig und führte an dem öffentlichen Parkplatz vorüber. In dem kleinen Bahnhofsgebäude kaufte er sich eine Fahrkarte nach Nürnberg. Als er durch die Sperre gehen wollte, bemerkte der Beamte am Schalter:
»Nürnberg? Da werden Sie sich aber noch einige Zeit gedulden müssen. Der Zug verspätet sich heute abend.«
»Was ist denn los?« Der Schalterbeamte deutete mit einer Kopfbewegung zu den Bahnsteigen hinaus. Am Ende der Bahnsteige verloren sich die Gleise im dichten Schneetreiben.
»Schneeverwehungen. Gerade eben kam die Meldung durch, daß der eingesetzte Schneepflug ausgefallen ist.«
Miller hatte eine tiefsitzende Abneigung gegen Wartesäle. Allzuoft hatte er sich, als junger Reporter, müde, fröstelnd und unbehaglich, darin aufhalten müssen. An dem kleinen Büfett schlürfte er einen heißen Kaffee und sah unschlüssig auf seine Fahrkarte. Sie war schon geknipst. Er dachte an seinen Wagen, der ein Stück weiter den Hügel hinauf auf dem Parkplatz stand.
Wenn er ihn nun am anderen Ende von Nürnberg parkte, etliche Kilometer von der Adresse entfernt, die man ihm genannt hatte? Wenn man ihn nach beendeter Unterredung mit irgendeinem anderen Beförderungsmittel woandershin schickte, konnte er den Jaguar in München abstellen. Er konnte ihn sogar in einer Parkgarage lassen, außer Sicht. Kein Mensch würde ihn dort entdecken. Jedenfalls nicht, bevor alles erledigt und überstanden war. Abgesehen davon, wäre es vielleicht gar nicht schlecht, einen schnellen Wagen für eine eventuelle Flucht zu haben. Zu der Annahme irgend jemand in Bayern könne jemals von ihm oder seinem Wagen gehört haben, lag seiner Meinung nach kein Grund vor.
Er dachte an Motti, der ihn ausdrücklich davor gewarnt hatte, den Wagen zu benutzen, weil er zu auffällig sei; aber dann fiel ihm wieder Osters Ratschlag ein. Er mußte in der Lage sein, sich so schnell wie möglich davonzumachen, wenn es brenzlig wurde. Den Wagen zu benutzen war natürlich riskant; aber ohne ihn dazustehen, konnte genauso gefährlich werden. Fünf Minuten lang erwog er das Für und Wider, dann zahlte er seinen Kaffee, verließ den Bahnhof und machte sich auf den Weg. Innerhalb von zehn Minuten saß er hinter dem Steuerrad des Jaguar und lenkte ihn aus der Stadt hinaus.
Die Fahrt nach Nürnberg war kurz. Miller nahm sich in einem kleinen Hotel in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs ein Zimmer, stellte den Wagen zwei Ecken weiter in einer Seitenstraße ab und schlenderte durch das Königstor in die Altstadt. Die Dunkelheit war schon lange hereingebrochen, aber der Lichtschein aus den Läden und Fenstern erleuchtete die schmalen Fronten der Häuser bis hinauf zu den hohen, spitzen Giebeln.
Miller fand das Haus, das er suchte, zwei Straßen vom Hauptmarkt entfernt in der Nachbarschaft der Doppeltürme der St.-Sebalds-Kirche. Der Name auf dem Türschild war derselbe wie in der Anschrift auf dem Brief.
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