Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
Freund schnitt ihm das Wort sofort ab: „Merde, deine unchristliche Vorverurteilung steht dir wie ein Bibelvers im Gesicht. Warte damit. Danach bin ich zum Eingang, wo noch der Lieferwagen stand und fuhr zum Hotel zurück.“
„Moment“, fiel ihm Lukas doch ins Wort. „Wenn du uns gestern schon gesucht hast, warum bist du dann nicht gleich nach Nürnberg zurückgeflogen? Das Flugzeug meines Vaters stand noch am GAT. Überhaupt, warum hast du nicht Lucie bei mir zuhause angerufen?“
„Weil ich Pech hatte. Als ich das Hotel wieder verließ, wartete schon die Polizei auf mich. Unsere temperamentvolle Gärtnerin war befreit worden und hatte ihr Fahrzeug als gestohlen gemeldet. Ich hatte keine Chance, die haben mich mit gezogenen Waffen einkassiert. Richtig brenzlig wurde es, als sie die Waffe bei mir gefunden haben. Gut, dass ich keine Papiere dabeihatte, sonst hätte ich richtig in der Tinte gesessen. Telefonieren ließen sie mich nicht. Heute Vormittag wollten sie mich verlegen und erst da konnte ich türmen. Ich habe ein Auto geknackt und bin sofort zum Flughafen. Wer rechnet damit, dass ein Autodieb über einen Firmen-Jet verfügt?“ Jules grinste.
„Ich verstehe trotzdem nicht“, meinte Lukas verwirrt. „Wenn du schon heute zurück in Nürnberg warst, wieso bist du dann nicht sofort zu mir gekommen, sondern platzt stattdessen mitten in die Lösegeldübergabe?“
„Weil ich den Vorteil nutzen wollte, tot zu sein. Wir wurden von Kaschinski hereingelegt, Lukas. Alles, was er erzählt hat, war gelogen. Es gibt keine neuen Entführer. Die Forderung von fünf Millionen Euro kam von ihm selbst. Er ist das, was man einen Doppelagenten nennt, mit dem Arsch immer da, wo das Toilettenpapier am weichsten ist. Ich hatte mich deshalb an seine Fersen gehängt, um herauszufinden, wer seine Hintermänner sind. Ich …“
„Moment! Wenn ich dich richtig verstanden habe, sind Magali und Matti immer noch in Barcelona und Kaschinski hat den Überfall dort auf uns nur inszeniert, um an das Geld zu kommen?“
„Schon, aber nicht nur deshalb.“
„Heißt das, er hat auch den Überfall auf die van Kampen erfunden?“
„Welchen Überfall?“
„Kaschinski hat behauptet, eine Bande Russen hätte das Anwesen der Holländerin überfallen, alle Gäste bestohlen und anschließend in den Keller gesperrt.“
„Merde, das war schlau. Damit hat er verhindert, dass du nochmals in die Villa zurückkehrst und Kontakt mit der van Kampen aufnimmst. Dann wäre sein doppeltes Spiel aufgeflogen.“
„Das heißt, er hat das Ganze inszeniert, um selbst einige Millionen abzukassieren?“
„Es geht um mehr, als nur um das Geld, Lukas. Deshalb musste ich die Übergabe um jeden Preis verhindern. Kaschinski habe ich erwischt. Leider ist mir sein Komplize entkommen und zwar, weil du, Lukas, auf dem Platz standest wie eine Zielscheibe. Ich hatte die Wahl zwischen dir und ihm. Er hätte dich kalt gemacht.“
Lukas brütete kurz über das Gehörte nach. „Wenn es Kaschinski nicht allein um das Geld gegangen ist, muss es Rabeas Akte sein. Was ist …“
„Jetzt nicht“, wiegelte Jules ab. „Wenn wir bei dir sind, erzähle ich dir alles. Aber vorher müssen wir die Tasche an einen sicheren Ort bringen. Wir machen einen Umweg.“ Jules Kopf vollzog eine Bewegung, die der einer Schildkröte ähnelte, die sich bei Gefahr in den Panzer zurückzog.
Die Beobachtung ließ Lukas stutzen. Sie hinterließ den Eindruck von Verlegenheit. Er kannte Jules erst seit zwei Jahren, aber sie hatten gemeinsam einige Extremsituationen durchgestanden. Verlegenheit war etwas, das er bei seinem Freund noch nie beobachtet hatte. Verschwieg er ihm etwas? Ging es um Magali? Wusste er mehr über ihren Betrug? Oder ging es doch um die Akte? Plötzlich musste er an Kaschinskis Andeutungen über Jules denken. Enthielten sie womöglich ein Körnchen Wahrheit? Spielte auch Jules ein falsches Spiel? Aber nein. Lukas schüttelte seine Zweifel ab. Was war nur in ihn gefahren? Allein der Gedanke daran war absurd. Plötzlich war auch Lukas verlegen und er tastete nach seiner geschwollenen Wange. Dabei schoss ein Schmerz durch seinen rechten Arm. Verwundert starrte er auf seinen blutigen Ärmel.
„Ah, auch schon gemerkt? Ist nur ein Streifschuss, keine Bange“, meinte Jules mit einem Seitenblick.
Er fuhr zügig, ließ aber den Rückspiegel dabei selten aus den Augen. Erst als er sich sicher war, nicht verfolgt zu werden, steuerte er die kleine Synagoge an, der Rabbi
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