Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
doch zu quer gedacht, oder? Sie ist doch nicht mehr als ein verwirrter Teenager.“
„Stimmt, und das sind die Schlimmsten ...“ Lucie ritt auf einer Welle der Empörung.
„Immerhin“, meinte Jules jetzt, „hat sie mit ihrem Eingreifen verhindert, dass das Lösegeld und vor allem Rabeas Akte den falschen Leuten in die Hände geraten konnten. Seht es einmal so: Im Grunde hat sie uns mit ihrer Klein-Mädchen-Dummheit einen Riesendienst erwiesen.“
„So sehe ich das auch“, bestätigte Lukas.
Lucie sah von einem zum anderen. Dann sagte sie plötzlich:
„Gollum.“
„Schluckauf, Lucie?“ Jules zog fragend die Augenbrauen hoch.
„Nein. Sie ist der Gollum.“
Jules sah Lukas an, als wollte er ihn fragen, ob seine Schwester plötzlich durchgedreht sei.
Lucies Bemerkung entlockte Lukas das erste Schmunzeln seit der Entführung. „Gollum ist eine Figur aus Tolkiens Herr der Ringe , Jules. Er funkt dem Helden der Geschichte mehrmals dazwischen. Er ist niederträchtig und lästig, aber am Ende erweist sich sein Tun als Segen für den Helden. Ohne den Gollum hätte es Frodo nie bis zum Schicksalsberg geschafft und den Ring in den Feuerschlund werfen können.“
„Aha, Fantasy, na ja. Ist nicht gerade meine Lektüre“, meinte Jules achselzuckend.
Lukas fuhr in seinem Bericht fort und beendete ihn mit den Worten: „So, jetzt weißt du alles. Nun bist du dran, Jules. Wie bist du eigentlich rechtzeitig zum Schrottplatz gekommen?“
„Indem ich Kaschinskis Spur gefolgt bin. War nicht sonderlich schwer. Von der Villa deiner Eltern aus hat er sich ein Taxi genommen. Ich habe mir die Taxinummer gemerkt, den Fahrer aufgetrieben und gegen ein paar Scheine hat er mir verraten, wohin er den Mann gefahren hat: In eine kleine Pension in der Nähe des Hauptbahnhofes. Kaschinski hat sich dort mit einem Komplizen getroffen. Ich habe davor gewartet und bin ihnen dann am frühen Nachmittag zum Schrottplatz gefolgt. Es war mir sofort klar, dass sie ihn als Übergabeort auskundschafteten. Ich wusste nicht, wie viel Zeit ich hatte, aber die beiden haben sich dann für zwei Stunden in ihrem Fahrzeug verschanzt. Das gab mir genügend Zeit, das kleine Feuerwerk vorzubereiten. So ein Schrottplatz ist eine Fundgrube. Den Rest kennst du.“
Lukas nickte und sah auf die Uhr. Fast acht. Er stand auf. „Wir sollten aufbrechen. Auf nach Barcelona. Ich will meinen Sohn zurück. Kommst du, Jules?“
„Moment, was ist mit meiner Erklärung? Warum ist der Rabbi so durch den Wind, Jules? Ihr habt vorhin von Rabea gesprochen, das habe ich genau gehört. Geht es um ihr Päckchen?“, mischte sich Lucie ein.
Jules bedankte sich für die Steilvorlage und nickte. Gleichzeitig tippte er auf die Wahlwiederholung von Kaschinskis Handy. Sobald er Zeit hatte, würde er sich mit den Daten auf dem Chip befassen. Er hoffte, Hinweise auf Kaschinskis Auftraggeber zu finden.
„Wen versuchst du eigentlich die ganze Zeit zu erreichen, Jules? Hättest du Kaschinskis Handy nicht der Polizei als Beweismittel übergeben müssen?“, meinte Lukas zu ihm.
In diesem Moment klingelte Lukas' Telefon im Flur. Er nahm das Gespräch entgegen.
„Rabbi Silbermann, guten Abend“, meinte er dann und winkte den anderen zu. „Ja, natürlich. Er ist hier. Er will dich sprechen, Jules.“ Lukas reichte den Apparat mit einem fragenden Blick an Jules weiter. Eine Weile lauschte der Ex-Agent, dann schrieb er sich eine Telefonnummer auf. Lukas sah ihm über die Schulter. 0044? War das nicht die Vorwahl Großbritanniens?
„Es ist gut. Ich halte Sie auf dem Laufenden. Danke.“ Er legte auf. „Es gibt ein Problem“, sagte Jules dann. „Ich muss sofort nach London.“
„Was? Aber was ist mit Barcelona?“, rief Lukas irritiert.
„Du musst allein dahin. Du schaffst das, Lukas. Es geht nicht anders. Eine alte Geschichte“, erwiderte Jules knapp.
„Kann das nicht bis morgen warten? Was kann wichtiger sein als Magali und Matti?“ Lukas verstand nicht, dass ihn sein Freund ausgerechnet jetzt im Stich lassen wollte. Plötzlich hörte er wieder Kaschinskis Stimme: Lafitte ist ein schlafender Agent, der sein Land weiter mit Informationen versorgt. Als hätte Jules Lukas' Gedanken erraten, sagte er jetzt: „Du musst mir vertrauen, Lukas. Es geht um einen Freund. Er schwebt in tödlicher Gefahr und er hat mich um Hilfe gebeten.“
„Ach ja. Und dazu ruft er Rabbi Silbermann an und gibt ihm eine Londoner Nummer durch? Was ist mit Magali und Matti? Schweben sie
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