Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
darauf hinzuweisen, dass nicht alles eitel Sonnenschein ist, wie man Innenminister, Bürgermeister und Polizeipräsident von Barcelona hat weismachen wollen. Offenbar kann Magali nicht frei telefonieren. Oder sie schauspielert oder alle anderen schauspielern.“
Heinrich von Stetten nickte ernst. „Ich entnehme Ihren Worten, dass Sie nicht ganz frei von Misstrauen meiner Schwiegertochter gegenüber sind?“
„Das habe ich nicht gesagt. Ich neige vielmehr dazu, ihr zu trauen, solange ich nicht vom Gegenteil überzeugt worden bin. Ich meiner langen beruflichen Karriere“, Jules legte eine Pause ein - er wusste, dass der alte Patriarch über seine ehemalige Tätigkeit Bescheid wusste -, „habe ich gelernt, dass nur wenig so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Aber ich habe hier auch mehr professionelle Distanz als Lukas. Magali ist seine Frau und ich kann seine Zweifel verstehen. Was mich irritiert, ist, dass Magali auf keinen Fall will, dass Lukas nach Barcelona kommt. Also weiß sie etwas und verbirgt auch etwas.“
Kapitel 26
„Hier ist er!“ Lucie hielt triumphierend einen weißen Umschlag hoch. Lukas riss ihn ihr ungeduldig aus der Hand und las den Brief:
Lieber Lukas,
wenn Du diese Zeilen liest, dann nur, weil etwas höchst Ungewöhnliches geschehen ist, etwas, das Du nur schwer begreifen wirst. Dann hat mich meine Vergangenheit eingeholt. Es gibt etwas, das ich Dir nie erzählt habe. Aber dies soll kein Geständnis werden. Ich bitte Dich nur um eines, Lukas: Was immer Du jetzt denken magst, bitte urteile nicht aus dem Moment heraus. Lass mich Dir alles persönlich erklären. Und bitte, versuche nicht, mich zu finden. Ich komme zurück. Ich verspreche es.
Deine Magali
P.S. Ich liebe Dich!!!
Fassungslos senkte Lukas den Brief. Seine Augen suchten die seiner Schwester. „Hast du ihn gelesen?“
„Nein. Soll ich?“
„Hier, vielleicht kannst du dir einen Reim darauf machen. Denn ich verstehe gar nichts.“ Wenn überhaupt, fühlte sich Lukas durch Magalis Zeilen noch verwirrter als zuvor. Er dachte an das P.S. Magali hatte ihm noch nie gesagt, dass sie ihn liebte. Liebe war nie ein Thema zwischen ihnen gewesen, nur die gemeinsame Liebe zu ihrem Sohn.
Seit Rabeas Tod hatte er sich seinen eigenen Gefühlen nicht mehr ehrlich gestellt. Bisher hatte ihre Ehe gut funktioniert. Oder? Ihr Universum kreiste ausschließlich um ihren Sohn. Die Familie, ihre Arbeit und ihr Alltag waren ihre Konstanten. Ihre Gespräche drehten sich um Matti, sein Wohlbefinden, seine Fortschritte, oft auch um die Einmischung der Großeltern in ihre Erziehungsmethoden. Sie lebten miteinander, aber irgendwie lebte jeder auch sein Leben für sich, in die jeweilige Gefühlswelt des anderen waren sie nicht eingedrungen. Plötzlich schämte sich Lukas. Er war eine Scheinehe eingegangen, sie waren glückliche Eltern, mehr nicht. Hatte sich Magali mehr erhofft? Bis vor wenigen Monaten hatten er und Magali sogar nur wie Bruder und Schwester zusammengelebt. Ihre körperliche Beziehung hatte erst vor einem halben Jahr begonnen. Doch nicht er hatte die Initiative ergriffen, sondern Magali. Er hatte Magali niemals ausnutzen wollen.
Sie waren an jenem Abend mit einem frisch verheirateten Paar ausgegangen. Zuerst hatten sie gemeinsam gegessen und anschließend hatten ihre Freunde vorgeschlagen, in eine Tanzbar zu gehen. Sie hatten zu viel getrunken, dann getanzt, und plötzlich hatte Magali ihn geküsst und sich an ihn gedrängt. Auch er war erregt gewesen. Seitdem schliefen sie regelmäßig miteinander und stillten gegenseitig ihre Bedürfnisse. Mehr nicht. Mit Magali zusammen zu sein war ganz anders als mit Rabea. Nach dem Sex gab es weder Gespräche noch Streit, wie einst mit seiner Jugendfreundin. Mit Magali war es irgendwie immer wie ein warmer Sommerregen, sanft und willkommen. Mit Rabea hatte man das Gefühl, als wollte man eine Urgewalt zähmen.
Lukas gestand sich in genau dieser Sekunde ehrlich ein, dass selbst nach beinahe zwei Jahren Ehe und einem gemeinsamen Kind seine Beziehung zu Magali noch immer zerbrechlich war, irgendwie … er suchte nach dem richtigen Wort … ungeklärt. Er war nicht ehrlich zu ihr gewesen und zu feige, mit ihr darüber zu sprechen. Er hatte sich vor einer Aussprache gedrückt. Was wusste er von ihr oder ihrer Vergangenheit? Hatte er sie je danach gefragt? Kannte er ihre Gefühle, ihre Bedürfnisse, ihre Gedanken?
„Einen Penny für deine Gedanken“, sagte Lucie
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