Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
polizeilichen Meldeunterlagen aus Wittenberge.«
»Die hat Fräulein Ritter angefordert«, ließ Rath schnell einfließen. »Schön, dass die schon da sind.«
»War eben in der Dienstpost.« Gennat schlug mit der flachen Hand auf den Aktendeckel. »Der Mann kam im September neunzehnvierundzwanzig aus Marggrabowa an die Elbe.«
»Aus Treuburg.«
»Richtig. Treuburg. Sie kennen sich gut aus.«
Rath verschwieg die Nachhilfe von Oberkommissar Watzke.
»Es scheint alles auf Treuburg hinzudeuten«, sagte er stattdessen. »Herbert Lamkau hat auch dort gelebt, bevor er nach Berlin gekommen ist, das geht aus seinem Führerschein hervor.«
»Deswegen waren Sie noch einmal in Tempelhof?«
»Richtig, Herr Kriminalrat. Wollte die Witwe noch einmal befragen zum Vorleben ihres Mannes. Lamkau und Wawerka müssen sich aus Treuburg kennen. Und dieser Simoneit ist dann wohl der Dritte im Bunde.«
»Wollen wir hoffen, dass es bei dreien bleibt.« Gennat rührte in seiner Kaffeetasse. »Wir müssen herausfinden, was diese drei Menschen verbindet, da könnte das Motiv für die Morde liegen.«
»Das sehe ich auch so, Herr Kriminalrat.«
»Wenn alle drei vor knapp zehn Jahren in Treuburg gelebt haben, dann sollten Sie da mit Ihren Ermittlungen ansetzen.«
»Ich habe mit den Kollegen drüben bereits telefoniert. Polizeilich liegt nichts vor.«
»Das muss man schon selber in die Hand nehmen! Diese Nachforschungen können Sie nicht ernsthaft der Treuburger Polizei überlassen, so einer Wald- und Wiesentruppe!«
»Ich kann doch nicht die ganze Ermittlungsgruppe Vaterland nach Ostpreußen verschieben. Fräulein Ritter hat die Stelle im Haus Vaterland bekommen und ermittelt dort jetzt verdeckt, wie Herr Kriminalrat angeraten haben. Und die Kollegen Lange und Gräf forschen nach diesem Tubocurarin, das ist auch ein wichtiger Ansatz.«
»Sie müssen ja auch nicht gleich mit Mann und Maus da rüber.«
»Womit wir wieder bei der engen Personaldecke meiner Ermittlungsgruppe wären.«
Gennat schaute ungehalten. Aber bevor er etwas erwidern konnte, klopfte es, und Trudchen Steiner, seine Sekretärin, stand in der Tür.
»Der Herr Kommissar wäre jetzt da, Herr Kriminalrat.«
»Soll reinkommen!«
Der Kriminalrat machte sich keine Mühe aufzuklären, wer da jetzt reinkommen sollte, das Gespräch über Ostpreußen und über die personelle Ausstattung der Ermittlungsgruppe Vaterland jedenfalls schien beendet. Und dann wusste Rath auch, warum.
Im Türrahmen erschien die Gestalt von Harald Dettmann.
»Ich muss die Herren einander ja nicht vorstellen«, sagte Gennat. »Nehmen Sie doch Platz, Kollege Dettmann.«
Dettmann tat wie geheißen und warf Rath einen feindseligen Blick zu.
Wer ist jetzt hier die Petze, du Arschloch , dachte Rath und stellte seine Kaffeetasse zurück auf die Untertasse. So fühlte er sich verteidigungsbereiter.
»Ich habe den Kollegen Dettmann um den Abschlussbericht zum Tiergartenfall gebeten«, begann der Buddha. Seinem Gesicht war nicht anzumerken, was er denken mochte. »Damit er seine Einsatzkraft voll und ganz dem neuen Fall zuwenden kann.«
Gennat schaute Rath an, doch der zog es vor zu schweigen. So gut kannte er den Buddha mittlerweile nun doch, dass er sich so einfach nicht aus der Reserve locken ließ.
Doch dann zuckte er zusammen, als der Kriminalrat plötzlich losbrüllte.
»Was haben Sie sich dabei gedacht, Herr Kommissar, einen wichtigen Abschlussbericht, die Arbeit von zwei bis drei Tagen, unleserlich zu machen?«
»Es war keine Absicht.«
Dettmann sprang auf und wurde knallrot. »Keine Absicht? Eine Unverschämtheit ist das!«
Rath blieb ruhig. Er wusste, dass Dettmann gerade Minuspunkte gesammelt hatte.
»Da war dieses Tintenfass, das stand recht unglücklich … Es tut mir wirklich leid«, sagte er.
»Kollege Dettmann, setzen Sie sich doch«, sagte Gennat. »Lassen Sie uns über die Angelegenheit reden wie erwachsene Menschen.« Dann wandte er sich an Rath. »Warum waren Sie überhaupt in Dettmanns Büro, Kommissar Rath?«
»Der Phantomfall«, sagte Rath in aller Ruhe. »Der Kollege hat doch meinen alten Fall übernommen, und ich wollte …«
»Eine dreiste Lüge ist das!«, brüllte Dettmann. Ein strenger Blick von Gennat brachte ihn wieder zur Räson.
Rath war sich sicher, inzwischen nach Punkten zu führen.
»Ich wollte«, fuhr er fort, »meine Unterstützung anbieten, dazu ist es dann aber leider nicht mehr gekommen. Mir ist dann dieses Malheur passiert, und Kollege Dettmann
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