Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
würde lieber erschossen werden als lebendig begraben. Louis biss die Zähne zusammen. Dann rannte er los.
»Feuert!«
Rauchfahnen schossen aus den Mündungen und ließen die Schützen hinter dicken, grauen Schleiern verschwinden. Etwas traf Louis’ Kürass und ließ ihn dröhnen wie eine Glocke. Unter der Wucht des Treffers taumelte der Ritter zurück. Ein sengender Schmerz griff nach seinem Oberschenkel. Er wurde nach hinten gerissen und spürte warmes Blut seine Hose tränken. Das infernalische Fauchen einer Feldschlange löschte alle anderen Geräusche. Ein heißer Luftzug strich über Louis hinweg und zerrte am Stoff seiner Hemdärmel und an seinen Haaren. Schreie. Ein dumpfer Aufschlag. Noch einer! Die Kanonenkugel musste ihren Weg durch das Tor des Turms gefunden haben und prallte innen als Querschläger von den Wänden ab.
Louis versuchte, sich auf sein Rapier zu stützen und wieder hochzukommen.
»Zweites Glied vor!«, erklang die ruhige Stimme des Söldners, als sei all dies nur eine Übung auf dem Exerzierplatz.
Louis sah Schatten von Männern aus dem Rauchschleier treten.
»Die Gabeln nieder!«
Mit scharfem Klacken schlugen die eisernen Gabelfüße auf das Pflaster.
»Legt an!«
Arkebusen senkten sich.
»Zurück in den Turm!«, rief le Beuf.
Louis wurde bei den Armen gepackt und nach hinten gezogen. Er wollte sich losmachen, doch seine Kraft reichte nicht. Er sah die breite Blutspur, die er auf dem im Fackellicht rötlich schimmernden Pflaster zurückließ.
»Nein!«, stieß er gequält hervor. »Bitte!« Nicht in den Turm. Er wollte nicht in diese Gruft, in der sie lebendig eingemauert würden. Wieder hatte er das Bild seines Vaters vor Augen. Finger, deren Fleisch bis auf den Knochen abgeschürft war. »Nein!« Louis’ Stimme klang jetzt heller. Wie die des Kindes, das vor siebzehn Jahren schreiend aus der Familiengruft geschafft worden war.
IN GOTTES HAND
Habe die Novizen Luc und Gishild dabei gestellt, wie sie heimlich auf das Rabendeck stiegen und sich an der Truhe Lilianne de Droys zu schaffen machten. Die Novizen schweigen sich darüber aus, was sie mit Liliannes weißem Raubvogel wollten. Mein Gefühl sagt mir, dass Gishild die treibende
Kraft hinter diesem Vergehen ist. Habe beide zu den Särgen in die Bilge gesperrt. Soll Lilianne über sie entscheiden.
Sie hat es geschafft. Lilianne bringt die Ruderer und Seeleute zurück. Im Triumph verlassen wir den Hafen. Die Wachtürme wurden von der Leibwache des Erzverwesers besetzt. Der Orden vom Aschenbaum ist gedemütigt! Hochstimmung an Bord. Die Ruderer singen, als wir Marcilla verlassen und gen Süden die offene See ansteuern.
Auffrischende Winde treiben schwere Dünung vor sich her. Die Windfänger stampft und rollt. Das Ruder ist kaum zu halten. Ich musste den Kurs ändern. Halten uns auf Kurs Südost. Die Küste ist nicht zu sehen, aber ich spüre sie. Sie wird nicht mehr als zwei Meilen entfernt sein. Zu nah, wenn ein Sturm von Süden aufzieht.
Lilianne war mehr als eine Stunde bei Gishild und Luc in der Bilge. Sie bringt die beiden Novizen mit an Bord. Sie dürfen an ihre Ruderbank zurückkehren. Luc ist sehr blass. Der schwere Seegang macht ihm zu schaffen. Der Wind hat etwas nachgelassen. Entfernen uns von der Küste. Tjured schützt!
Der Morgenhimmel klart nicht auf. Musste den Kurs auf Ost ändern. Wir segeln der Nacht entgegen. Die Ruder sind eingeholt, die Ruderlöcher verschlossen. Wir geben unser Leben in Gottes Hand. Eine Galeasse ist nicht dazu geschaffen, einen Sturm abzureiten. Welch eine Ironie, nach dieser Nacht von
List und Tapferkeit unser aller Leben erneut in Tjureds Hand zu geben. Und nun sind es allein Gebete, die das Schicksal noch wenden könnten. Ich versiegele die letzten Einträge in einer Flasche aus starkem Glas. So mag eines Tages doch noch Kunde von uns nach Valloncour gelangen, falls uns nun das Glück verlässt.«
LOGBUCH DER WINDFÄNGER,
3. REISE, 11. NACHT VOR MITTSOMMER,
EINTRAGUNG DURCH: ALVAREZ DE ALBA, KAPITÄN
DAS ENTZAUBERTE LAND
Regen trommelte auf die Plane. Ahtap konnte sich mit dem schweren, hölzernen Schandkragen um den Hals kaum bewegen. Zusätzlich hatten sie Bleibänder um seinen Hals, die Hand- und Fußgelenke gelegt. Seit diese Hunde ihn geschnappt hatten und er einem von ihnen eine Krötenhaut ins Gesicht gehext hatte, waren sie sehr vorsichtig mit ihm.
»Ich bin klein, aber gefährlich«, sang er leise vor sich hin, um sich Mut zu machen, aber es wollte ihm
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