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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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die Mädchen? Ich glaube, du hast einen Vogel.»
    «Ich finde ja komisch», meinte Anne ganz ruhig, «dass Frau Merk solche Geschichten erzählt. Wie kommt sie dazu? Und wieso glaubst du ihr das?»
    «Warum sollte sie lügen? Außerdem: Die Sache mit den Ecstasy-Pillen, dieser Unfall, und überhaupt, da redet ja nun die ganze Stadt drüber. Da brauchte Frau Merk gar nichts zu sagen.»
    Paul konnte sich kaum noch bremsen. Das Telefon klingelte, wütend schrie er seinen Namen in den Hörer. Ein paar Sekunden konzentrierte er sich auf die Stimme am anderen Ende und erwiderte schließlich: «Das verstehe ich. Aber leider geht es wieder nicht.» Blick zu Anne, die nicht wusste, wer dran war. «Darf Anne zurückrufen? Macht sie, sobald es geht. Ja. Wiederhören.» Er drückte auf den Knopf. «Deine Mutter. Sie klang ziemlich genervt, sie würde seit Wochen vergeblich versuchen dich zu erreichen, aber du rufst nicht zurück. Weiß sie denn nicht ...?»
    Anne schüttelte den Kopf, sie wollte vor Sybille keine Diskussion über das Verhältnis zu ihren Eltern. Nein, sie hatte nicht zurückgerufen, sie hatte es glatt vergessen. Und sie hatte ihren Eltern auch nichts von dem Unfall erzählt, es war eine Mischung aus Ich will sie nicht belasten und Es ist mein Leben. Lächerlich, aber so war es eben. Sobald sie Zeit hätte, nahm Anne sich vor, würde sie in Ruhe mit ihrer Mutter telefonieren.
    Paul nahm den Gesprächsfaden wieder auf: «Also bitte. Also bitte, geh nach oben, frag deine Tochter, ob sie mit will oder nicht. Sie ist alt genug, das selber zu entscheiden.»
    «Paul!», wandte Anne scharf ein. «So einfach geht es nicht!»
    Wütend guckte Paul jetzt Anne an. Sybille knipste ihre Handtasche auf und nahm ein Päckchen Menthol-Zigaretten und ein Cartier -Feuerzeug heraus und zündete sich eine an.
    Anne startete noch einen letzten Versuch: «Sybille. Ich weiß, das ist alles nicht einfach. Ich weiß, wir hätten miteinander reden sollen, und dass wir es nicht getan haben, lag an mir. Ich war feige. Es tut mir Leid.»
    «Ich finde, für Entschuldigungen ist es reichlich zu spät!»
    Weil kein Aschenbecher auf dem Sofatisch stand, erhob sie sich und aschte auf die Wurzeln der Orchidee, die auf der Fensterbank in einem Tontopf blühte.
    «Du kannst hier nicht einfach so antanzen und sagen: Ich will die Mädchen. Die sind doch keine Ware. Das sind eure Kinder. Die kann man doch nicht so hin und her schieben, wie es einem gerade passt.»
    «Meine Gründe habe ich ja genannt.»
    Paul zuckte mit den Schultern. «Sie ist in ihrem Zimmer. Den Weg kennst du ja.»
    Sybille stand auf, packte ihre Zigaretten ein, hängte sich ihre Handtasche über die rechte Armbeuge und übergab mit spitzen Fingern der verblüfften Anne den glühenden Stummel. Dann verschwand sie nach oben.
    «Sie ist aber auch aggressiv!», meinte Anne.
    Paul fuhr sie an, zum ersten Mal richtig, seitdem sie hier zusammenlebten: «Sie ist überhaupt nicht aggressiv! Was redest du denn da? Sie macht sich Sorgen! Kann man doch verstehen, oder?» Mit diesen Worten verschwand er in Richtung Praxis, Anne hatte nicht einmal Gelegenheit, etwas darauf zu antworten. Verblüfft blieb sie zurück. Keine halbe Stunde später kam Sybille wieder herunter. Anne saß noch immer auf ihrem Platz, verdattert geradezu, hatte die Zigarette aufrecht auf die Tischplatte gestellt und ausgehen lassen. Tatsächlich hatte Anuschka ihre Mutter in ihr Zimmer gelassen und mit ihr gesprochen, doch zu Annes Überraschung hatte sie erklärt, dass sie hier bleiben wolle. Sybille redete nicht lange drumherum und ging.
    Schnurstracks eilte Anne in die Praxis. Um diese Zeit waren keine Patienten da, Paul nutzte die freien Stunden dazu, seine Unterlagen in Ordnung zu bringen und Diagnosen in sein Diktiergerät zu sprechen. Im Empfangsraum saß Juliane hinter dem Tresen, tippte Patientendaten in den Computer ein und aß ein mitgebrachtes Käsebrötchen.
    Als Anne hereinkam, stand sie auf, kam ihr entgegen, reichte ihr die Hand und sagte mit vollem Mund: «Tut mir so Leid, Frau Alberti, wirklich!»
    «Danke, Juliane.»
    Anne öffnete die Tür zum Behandlungszimmer, die sich direkt hinter dem Tresen befand, ging hinein und klopfte dort an die Tür zum Sprechzimmer. Nachdem Paul «herein» gesagt hatte, betrat sie den Raum. Sie hielt sich nur selten hier auf. Das war noch so eine Sache, die sie aus ihrem Zusammenleben mit Wolf wusste: Man störte Männer nicht bei der Arbeit, man suchte sie nicht an ihrem

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