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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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dahinter stecken außer nackter Gier? «Ich liebe dich!», hatte er gesagt. So ein Quatsch! Liebe. Wo sollte die plötzlich herkommen bei ihm, bei ihr? So was gab es nur im Film. Annes Gedanken kreisten immer um dasselbe. Machte es irgendeinen Sinn, mit ihm darüber zu sprechen? Oder legte man den ganzen Fall gewissermaßen zu den Akten? In einen Ordner mit der Aufschrift: Du bist verrückt, mein Kind? Hundertmal hatte sie sich ausgemalt, wie sie ein Gespräch darüber beginnen sollte: «Hör mal, Paul, wir haben doch neulich gevögelt und ich wollte jetzt gerne wissen ...» Was wollte sie eigentlich wissen? Ob sie ein Verhältnis haben sollten, rein sexuell statt rein freundschaftlich? Sie war nicht der Typ für Geheimnisse und Affären, so was brachte nur Streit und Unglück und kostete Nerven. Oder dass es ihm ernst war? Es war ihm nicht ernst, sonst hätte er sich längst gemeldet. Und wenn es ihm ernst gewesen wäre, was dann? Die große Flucht allein zu zweit? Die Kinder zurücklassen? Draußen, auf dem Land, würde Sybille sitzen und weinen. Und hier, in ihrer Wohnung, würde Wolf sitzen und weinen. Unmöglich die Vorstellung.
    Einmal, vor zehn Tagen, hatte Sybille angerufen. Sie meldete sich, um Wolf zu sagen, dass es mit der Mittwochnachmittagverabredung nicht klappen könne: Paul müsse seine Quartalsabrechnung machen. Kein Gruß an sie, kein Wort von ihm, keine Planung für den kommenden Sonntag. Anne fühlte sich verwirrt und verletzt. Einige Male schon hatte sie den Hörer in die Hand genommen, seine Nummer gewählt, aber dann doch wieder aufgelegt. Jedes Klingeln des Telefons ließ ihr Adrenalin hochschießen, sie glaubte zu erröten, sie lauschte wenn einer ihrer Söhne oder ihr Mann rangingen – atemlos, wer am anderen Ende der Leitung war. Nie war es Paul. Sie hätte heulen können. Was war bloß los mit ihr? Sie brauchte Rat. Sie brauchte Hilfe. Sie brauchte Ebba. Aber die war auch irgendwie in der Versenkung verschwunden. So war es dann immer: Wenn es drauf ankam, blieb man allein auf der Welt.
    Als sie Ebba endlich erreichte, an einem Freitagmorgen, saß ihre Freundin in ihrem Büro am Schreibtisch und ließ sich die Finger maniküren. Ebba war nichts heilig. Außer dem Termin mit der Kosmetikerin, die alle vierzehn Tage in die Privatbank kam, damit Ebba keine Zeit verlor und nebenher ihrer Arbeit nachgehen konnte.
    «Darling, ich rufe ich dich zurück!», sagte sie nur knapp und legte mit der freien Hand den Hörer zurück auf den Apparat. Lässig saß sie in ihrem großen Ledersessel, hatte die Füße auf den Schreibtisch gelegt und hielt ihre Rechte der Kosmetikerin hin, die feilend neben ihr auf einem Stuhl hockte. Die andere Hand tauchte sie wieder in das Metallschälchen mit lauwarmem Seifenwasser, das an der Sessellehne mittels einer Stahlklammer befestigt war.
    «Und?», fragte sie neugierig, denn die Frauen waren durch Annes Anruf in ihrem Gespräch unterbrochen worden.
    «Na ja, was soll ich sagen, er war ja zehn Jahre jünger, ein Angestellter ihres Mannes, die hatten sich beim Firmenjubiläum kennen gelernt, vor drei Jahren, und damals ging die ganze Sache los.»
    «Er hat nichts gewusst?»
    «Bis eben, letzte Woche, wo ein Mitarbeiter es ihm gesteckt hatte. Dann hat er einen Detektiv einschalten wollen, aber die zwei fühlten sich so sicher, die haben sich ja nicht versteckt und gar nichts, ist es gut so?» Die junge Frau im rosa Kittel, den sie in einem Pilotenkoffer mitgebracht hatte, in dem sie auch ihr Handwerkszeug transportierte, lehnte sich ein wenig zurück. Interessiert beobachtete sie, wie Ebba ihre Linke hochhielt und von allen Seiten begutachtete.
    «Schön.»
    «Ich habe einen herrlichen neuen Perlmuttlack mitgebracht, fast ganz farblos ...» Sie beugte sich herunter zu ihrem Koffer und förderte ein Fläschchen zutage, das sie euphorisch vor Ebbas Augen hin und her schwenkte. «Das ist ein Superprodukt, neue Saison, superhart, hält wunderbar und trocknet blitzartig.»
    «Okay!», bestimmte Ebba.
    Die Kosmetikerin stand auf, stellte die Flasche auf dem Schreibtisch ab, schob ihren Stuhl auf die andere Seite, nahm Ebbas Hand aus der Seifenlauge und plapperte weiter, während sie sich wieder setzte, sich ihr Handtuch und ein Frotteepolster auf die Knie legte und das Feilen wieder aufnahm. «Kurz und gut, er hat dann natürlich volle Länge mitgekriegt, was los ist und dann, wie ich eben sagte ...»
    «Autsch!», rief Ebba aus.
    Die Kosmetikerin erstarrte:

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