Die Albertis: Roman (German Edition)
Solche Körper haben nur Amerikaner. Er war aus demselben Holz geschnitzt wie ich. Kühl, nicht kalt. Klar, nicht oberflächlich. Ehrgeizig, nicht brutal. Gute Gespräche haben wir geführt. Er war eigentlich der perfekte Mann, ich hätte nicht Schluss machen sollen, damals, in diesem Restaurant in Mailand am Bahnhof. Immer sind wir uns wie Reisende begegnet auf Flughäfen, an Bahnhöfen. Zwischenstopps, Kurztrips, jedes Mal wenn wir uns verabreden wollten, haben wir unsere Terminkalender abgeglichen. Und wie er dann einmal ankam, völlig erkältet, und sein Leben ordnen wollte. Und meines gleich mit. Nee, nee: Heiraten, nach drüben ziehen, eine Familie gründen, ich bin jetzt in dem Alter, hat er gesagt, und ich daraufhin, schön für dich, aber nix für mich. Wenigstens den Ring habe ich, den Zweikaräter von Tiffany, und die Erinnerungen. Und etwas Wehmut bleibt doch ...
«So, das wär's!», sagte die Kosmetikerin und stand auf.
«Prima. Sehr schön!» Ebba lächelte. «Wie immer.»
Nicole packte ihre Sachen zusammen. «Ich schreibe es aufs Konto, Frau Mommsen.»
Ebba nickte, nahm aus ihrer Hermès -Tasche, die auf der Fensterbank stand, das passende Portemonnaie, zog einen Zwanziger heraus und gab ihn Nicole. «Danke.»
«Bis zum nächsten Mal.»
«Ja, in zwei Wochen.»
Nicole ging. Ebba brachte sie zur Tür und kehrte nach einem kräftigen Händedruck an den Schreibtisch zurück und wählte Annes Nummer. Es dauerte eine Weile, bis abgehoben wurde.
«Hier ist Luis Alberti.»
«Hallo, Luis, hier ist ...»
«Ich weiß. Hi!»
«Hi! Wie geht's?»
«Gut.»
«Wieso biste nicht in der Schule?»
«Ausgefallen! Unsere Lehrerin ist krank.»
«Und was machst du?», fragte Ebba jovial.
«Ich telefoniere mit dir.»
«Sehr witzig, Luis, sehr witzig. Ist deine Mutter da?»
«Nee.» Pause. Dann lachte er quietschvergnügt auf. «Angeschmiert! Ich hole sie.»
Ebba hörte ihn laut rufen: «Mama! Telefon.»
Längere Pause.
«Ebba?»
«Ich sollte dich zurückrufen ...»
«Können wir uns sehen?»
«Hmm ...» Ebba blätterte in ihrem Kalender, der neben einem Bilderrahmen mit einem Foto von ihr lag. «... wann?»
«So schnell es geht!»
«So schnell es geht? Was ist los?»
«Ich muss mit dir reden.»
«Ärger?»
«Nicht am Telefon, Ebbalein. Wann kannst du?»
«Na, das klingt ja spannend ... also ... ich fliege morgen früh nach Istanbul. Ich muss mich noch einlesen, ein Meeting mit so Wirtschaftsheinis, die eröffnen ...»
«An einem Samstag?»
«... und ich hab noch nicht gepackt.»
«Ja, aber das kannst du doch nebenher machen. Ich helfe dir. Bitte, Ebba! «
Das Handy auf dem gläsernen Konferenztisch klingelte.
«Okay. Komm um acht.»
«Acht.»
«Warte ... besser halb neun, ja?»
«In Ordnung. Danke.»
«Du, ich muss schließen, Anne. Mein Handy ...»
«Jaja, bis nachher.«
«Bis nachher. Tschüs, Anne.»
Ebba ist eine wunderbare Freundin, dachte Anne. Sie saß am Tisch in Ebbas Altbauküche und bestaunte die Delikatessen, die ein Feinkosthändler im Viertel auf die Schnelle angeliefert hatte: Mozzarella mit Tomaten und Basilikum, hausgebeizter Lachs mit Dill, Zitrone und roten Pfefferkörnern, ausgelöste Flusskrebse in Chili-Mayonnaise, noch warmes Baguette, Rahmbutter in einem weißen Porzellantopf, ein Holzbrett mit französischem Rohmilchkäse und italienischen Trauben, ein nach Sommer und guter Laune duftender Obstsalat, dazu Vanillesauce, dickflüssig und gelb in einem Glaskrug. Ebba öffnete eine Flasche Château Laroque , Jahrgang 89, ihren Lieblingswein, den sich, so dachte Anne, Normalsterbliche nicht leisten können. Sie genoss es immer wieder, sich von Ebba verwöhnen zu lassen. Diese Erdgeschosswohnung, die in derselben Straße lag, wie das Zuhause der Albertis (mit dem Unterschied, dass Ebba im teuren, ruhigen Teil wohnte, Anne mit ihrer Familie hingegen im nicht so vornehmen, lauten), diese Wohnung mit ihrem kühlen, modernen Ambiente im – wie Ebba es nannte – «Wallpaper-Stil», diese Wohnung mit zweihundert Quadratmetern, einem Vordergarten voller blühender Rosen und einem rückseitig gelegenen Rasen, der zum Kanal hinabführte, einem Souterrain, das an eine Romanistik-Studentin vermietet war, kurzum, diese Wohnung war eine Oase, mitten in der Stadt. Vor vier Jahren hatte Ebba sie gekauft von den Erben einer alten Dame, die einundfünfzig Jahre hier gelebt hatte und in dieser Wohnung auch gestorben war. Die Renovierung hatte fast noch einmal so viel Geld
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