Die Albertis: Roman (German Edition)
Lächeln auf: «Wegen Wolf. Er hat doch Geburtstag nächsten Monat. Überraschung», sagte sie leise.
«Wegen Wolf», wiederholte Anne. «Er hat doch Geburtstag, nächsten Monat.»
«Ach so! Na ja. Dann ruf doch morgen früh an. Oder besser vormittags. Wenn er ausgeschlafen hat. Oder er ruft dich an. Ich sage ihm, dass du ihn sprechen willst!»
«Danke, Sybille. Sonst alles okay bei euch?»
«Ja, bestens. Ich sitze mit Ruth auf der Terrasse, die Mädchen übernachten bei Freundinnen. Wir haben es gemütlich.» «Grüß sie schön.»
«Mach ich, Anne. Und du deine Männer.»
«Danke.»
«Wiedersehen, Anne.»
«Wiedersehen, Sybille.» Anne beendete das Gespräch. Sie sah Ebba an. «Siehste, es soll nicht sein.»
«Ich bin dir keine gute Freundin, nicht?», fragte Ebba und legte ihre Stirn in Falten. «Ich verrate dich, ich lasse dich ins Messer laufen.»
«Du bist eine sehr gute Freundin, Ebba. Du hörst mir zu. Du verstehst mich. Du greifst meine eigenen Zweifel auf. Und dass du mir nicht helfen kannst, mit einer Patentlösung: das ist doch logisch. Du hilfst mir dadurch, dass du da bist.» Sie hob ihr Glas. «Danke, Ebba!»
Sie stießen an.
Zwei Stunden später kam Anne mit ihrem Volvo-Kombi zu Hause vorgefahren. Sie fand einen letzten Parkplatz unter dem Eisenviadukt der Hochbahn, das die Straße in zwei kilometerlange Strecken zerlegte. Jahrhundertwende-Mietshäuser mit bescheidenen Vorgärten und winzigen Balkonen, Fußwege mit Laternen und alten Kastanienbäumen, schnurgerade gezogene Querstraßen, ein paar Ampeln, ein kleiner Platz, der von Geschäften und Kneipen gesäumt war: Alles schien ihr jetzt eintönig, statt wohlvertraut. Eine Rentnerin schlurfte in Pantoffeln grußlos aus einem Haus und führte ihren müden Dackel aus. Ein Motorrad bretterte vorbei. Aus den Fenstern leuchtete überall das gleiche, einsame Licht. In den Rundbögen unter den Hochbahngleisen gurrten Tauben. Anne schloss ihren Wagen ab und sah sich noch einmal um, bevor sie die Straße überquerte, denn sie war nicht sicher, ob sie die Scheinwerfer ausgeschaltet hatte. Dabei hörte sie einen kurzen, scharfen Pfiff und sah einen Mann aus dem Schatten eines Eisenträgers treten. Sie erschrak und wollte weitergehen, doch dann hielt sie inne. Paul!
«Anne!», rief er, «Hey, ich bin es ...» Er kam zu ihr. «Da staunst du, was?»
Sie hatte sich wieder gefangen. «Ja, da staune ich.»
Sie reichten sich die Hände wie zwei gute, alte Bekannte. «Was machst du hier? Mitten in der Nacht!»
«Auf dich warten.»
«Auf mich warten? Vor meinem Haus?»
«Und frage jetzt nicht: Warum bist du denn nicht rauf, zu Wolf? Ich wollte nicht zu Wolf. Ich wollte zu dir.»
Anne winkte ab.» Woher weißt du denn, dass ich nicht zu Hause bin, längst im Bett liege ...» Sie ärgerte sich über ihn. Das Warten auf einen Anruf von Paul hatte Spuren bei ihr hinterlassen. «Ich bin echt sauer, ja? Was machst du eigentlich für einen Scheiß ... seit zwei Wochen schrecke ich bei jedem Klingeln des Telefons auf, rase hin, um zu verhindern, dass ...»
«Schsch ...», er legte ihr den Zeigefinger auf die Lippen.
Sie guckte zu ihrer Wohnung hoch, er folgte ihrem Blick. Alles war dunkel.
«Du hättest dich ja auch bei mir melden können!», erklärte Paul. «Ich habe dich nicht angerufen, weil ich dich nicht bedrängen wollte. Ich habe gedacht: Lass ihr Zeit.»
«Jaja!»
«Aber dann habe ich es nicht länger ausgehalten.»
Es war kühl geworden. Ein Windstoß jagte durch die Straße. Paul schlug den Kragen seines Sakkos hoch. «Ich warte seit zwei Stunden hier. Übrigens nicht nur heute. Seit vier Tagen stehe ich hier unten und gucke zu deinem Fenster hoch, warte, hoffe ...»
«Heule den Mond an! Sülz doch nicht so rum!»
«Ich will mit dir reden, Anne, aber nicht hier. Komm!» Er zog sie mit sich, zurück unter das Viadukt, wo sein Auto parkte. Er schloss den Wagen auf. «Steig ein.»
«Wohin willst du?» Anne war nervös. «Was soll das?»
Er öffnete die Beifahrertür, schob sie auf den Sitz.
«Paul, bitte ...», flehte sie kläglich, aber da hatte er die Tür schon zugemacht, war um den Wagen herumgelaufen, stieg ein, gab Gas und fuhr mit ihr davon.
«Werde ich jetzt entführt?», fragte sie, als er nach rechts abbog und mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Innenstadt fuhr.
«Na, irgendwas muss ich ja tun.»
«Findest du?»
«Ja, finde ich.»
Vor dem Hotel Vier Jahreszeiten an der Binnenalster parkte er. Eine einsame Fontäne, vom
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