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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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mit der Situation zurecht. Vielleicht um sich instinktiv vor weiteren Verletzungen zu schützen, schien er seinen Vater nicht mehr zu brauchen. Für ihn existierte nur noch seine Mutter. Luis entdeckte in der Familienkatastrophe den Neubeginn. Er war unsentimental und trauerte dem Vergangenen nicht nach. Selten erlebte man ihn fröhlicher.
    Pavel hingegen, untröstlich und unversöhnlich gegenüber Anne, wollte mit ihm umziehen, aber das redete Wolf ihm aus. Die Wohnung sei zu klein. Vielleicht, so hatte er ihm gesagt, wenn er eine größere Wohnung fände, könne er seine Söhne zu sich nehmen. Anne spürte einen Stich ins Herz, als sie ein paar Gesprächsfetzen zwischen Wolf und Pavel aufschnappte.
    «Papa», hatte er traurig gesagt, während er seinem Vater half, alte Zeichnungen aus den Schubladen in Mappen einzusortieren, «warum nimmst du das alles so hin? Warum tust du nichts ... für dich, für eure Ehe, für uns alle? Wir sind doch deine Familie! Ich will nicht, dass du gehst, ich will nicht, dass alles auseinander bricht. Kacke!» Er weinte fast.
    Wolf legte die Zeichnung auf den Schreibtisch und nahm seinen Sohn in den Arm. «Weil es keinen Sinn macht, Pavel. Weil deine Mutter sich nun einmal so entschieden hat, weil es kein Zurück mehr gibt und ich das auch erkannt habe. Zum Glück, weißt du? Es ist besser so, für uns alle, glaube mir das. Wir werden uns nicht verlieren. Wir bleiben immer eine Familie, ganz gleich, was passiert und wo uns das Schicksal hintreibt, ich bleibe immer dein Vater, egal, wo ich wohne, und du bleibst immer mein Sohn, ganz gleich, wo du bist.»
    Dann hatten sie weiter geräumt, und Anne hatte sich nachdenklich und traurig ins Schlafzimmer zurückgezogen. Natürlich lagen die Dinge nicht so einfach. Natürlich hatte es wegen der Frage, wer die Kinder nimmt, Streitgespräche zwischen Anne und Wolf gegeben. Für Anne war es selbstverständlich, dass die Jungs bei ihr bleiben würden. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie das gehen sollte, wenn Wolf – besonders in seiner labilen Konstitution – die volle Verantwortung für seine Söhne übernehmen würde. Er hatte ihr heftig widersprochen und ihr vorgeworfen, seine Schwäche auszunutzen und aus Egoismus über Leichen zu gehen. «Wo steht geschrieben», hatte er gefragt, «dass die Kinder immer bei der Mutter bleiben müssen?» Aber dann hatte Anne ihn überzeugt, dass es so die bessere Lösung sei. Vor allem mit dem Argument, dass es besonders für Luis besser wäre, wenn man die Jungs nicht aus ihrem gewohnten Umfeld reißen würde. Dass sie sehr schnell genau dies tun würde, war ihr in diesem Moment noch nicht klar.
    Edward war kaum noch zu Hause. Die meiste Zeit verbrachte er mit Kumpels in Diskotheken und Kneipen oder bei seiner Freundin Colleen.
    Am Tag von Wolfs Auszug ging Anne zu Ebba. Sie wollte nicht dabei sein, wenn er aus ihrem Leben verschwand. Ebba hatte sich extra frei genommen und ihr vorgeschlagen, sie könne, wie so oft, bei ihr baden. Baden und reden. Anne offenbarte ihrer Freundin, dass sie den Eindruck hatte, als hätten die Albertis bisher wie in einem Käfig gelebt, aus dem plötzlich alle befreit worden seien. Die letzten Jahre schienen im Rückblick den Stunden vor einem Sommergewitter zu gleichen: drückende Luft, tief hängende Wolken, schlechte Sicht, und auf einmal donnerte es und blitzte und begann zu regnen, und der Regen wusch den Staub ab und der Wind blies den Himmel frei, und danach war es hell und klar, und man konnte wieder tief durchatmen. Es kam Anne so vor, als wäre es bei der Familie Ross nicht viel anders. Auch Sybille war ausgezogen. Das wiederum war für niemanden eine Überraschung. Sie lebte jetzt bei Ruth. Die Mädchen äußerten den Wunsch, mit ihr zu gehen, aber das lehnte Sybille rundum ab. Paul hatte Anne das Gespräch mit ihr wiedergegeben.
    «Paul, wenn ich dich in dieser Sache um etwas bitten darf», hatte sie gesagt, «behalte du die Mädchen!»
    «Aber Anuschka hat klipp und klar gesagt, dass sie nicht bei mir bleiben will. Und Laura ... ich habe das Gefühl, sie braucht jetzt ihre Mutter mehr als ihren Vater.»
    «Du willst dich also drücken.»
    «Nein, ich will mich nicht drücken. Aber ich möchte, dass die beiden so schnell wie möglich über alles hinwegkommen. Ich will das Beste für sie.»
    «Bei Ruth ist kein Platz für sie», hatte Sybille kühl konstatiert. «Und im Übrigen möchte ich jetzt mal an mich denken. Die zwei sind alt genug, Anuschka geht ja jetzt

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