Die Albertis: Roman (German Edition)
sie zu, umarmte sie herzlich und gab dann den Möbelpackern kurz und knapp seine Instruktionen. Dann begrüßte er Luis, der stolz einen Gefrierbeutel vor sich hertrug, in dem sein Goldfisch «Maite» schwamm, danach Edward, der Annes volle Basttasche schleppte, und Pavel, der scheinbar gelangweilt, Hände in den Taschen, abseits stand und das Haus skeptisch betrachtete, als sähe er es zum ersten Mal. Schließlich winkte Paul Laura heran. Sie hatte sich am Gartentor herumgedrückt, und hätte man es nicht besser gewusst, hätte man glauben können, um es in Annes Worten auszudrücken, sie fremdelte. Sie ruckelte am Gartentor, guckte scheinbar unbeteiligt in der Luft, drehte an ihren Haaren. Langsam kam sie heran, gab allen artig die Hand und verkroch sich dann, seltsam schüchtern, unter Pauls Fittiche. Er drückte sie an sich und legte den Arm um ihren Oberkörper. Anne wusste, was los war. Paul hatte es ihr erzählt. Gestern Nacht hatte es im Hause Ross eine Art Kriegsrat gegeben. Die beiden Mädchen, angeführt von Anuschka natürlich, riefen zum Widerstand. Sie rebellierten. Sie wollten nicht, dass die Albertis bei ihnen einzogen. Am Abend kamen sie in Pauls Praxis. Er war gerade dabei, einer Patientin das offene Bein zu verbinden. Eigentlich war längst Feierabend. Nachdem die Patientin versorgt worden war und das Haus verlassen hatte, schaltete Paul alle Geräte und das Licht aus und machte seinen üblichen Kontrollgang durch die Räume der Praxis. Zu seiner Überraschung fand er Anuschka und Laura im Wartezimmer. Sie blätterten in den Zeitschriften, die dort herumlagen.
«Was macht ihr denn hier? Ich sagte doch, ich komme gleich.»
«Wir warten auf dich. Ist doch ein Wartezimmer, oder?», erwiderte Anuschka.
Paul setzte sich neben seine Töchter. «Was ist los?», fragte er.
«Wir wollen nicht, dass die zu uns ziehen!», erklärte Laura, und sie klang wütend und bestimmt zugleich.
«Was heißt denn die? Laura, ich bitte dich. Du magst Anne doch, und die Jungs auch. Denk mal, wie klasse es wird, wenn ab morgen auch Luis bei uns wohnt. Dann kannst du jeden Tag mit ihm spielen.»
Er wusste genau, was seine Töchter meinten. Er ahnte, was sie fühlten. Sie hatten Angst. Sie waren traurig. Traurig und eifersüchtig. Am schlimmsten war es bei Anuschka. Sie hatte sich eindeutig auf die Seite von Sybille geschlagen und identifizierte sich vollständig mit ihrer Mutter. Dass jetzt auch bei Laura, die, mehr noch als Anuschka, seine Tochter war, die Stimmung umschlug, überraschte ihn dennoch.
Er nahm ihre Hand. «Mädchen, pass auf: Es wird sich vieles ändern, das ist klar. Aber nicht unser Verhältnis. Da bleibt alles beim Alten, okay? Ich hab euch doch lieb!» Er streichelte ihr Gesicht. «Wir werden uns alle zusammenraufen. Wir werden ein Super-Team. Es wird lustig, glaubt es mir!»
Anuschka ließ nicht locker. Sie sprach von Verrat und davon, dass man sie nicht gefragt habe und dass alles über ihren Kopf hinweg entschieden worden sei.
Paul wurde sauer. «Wir haben doch jetzt x-mal darüber geredet, Kinder. Was soll das jetzt noch? Es ist nun mal so. Ihr hattet genügend Zeit, euch mit dem Gedanken vertraut zu machen.»
Laura zog ihre Hand weg. Und dann sagte sie etwas, was ihn verblüffte und verletzte: «Immer geht es nur um euch. Wir spielen doch gar keine Rolle. Wenn wir sagen: wir wollen das nicht, dann tut ihr es trotzdem. Wir sind immer die Verlierer.»
Sowohl Paul als auch Anne mussten in diesem Moment daran denken. Wir sind immer die Verlierer.
«Laura?», fragte Anne und zog Pauls Tochter von ihm weg und zu sich hin. «Ich weiß, dass ihr die halbe Nacht mit eurem Vater zusammengesessen habt und dass es dir nicht gefällt, dass wir alle zu euch ziehen!»
Laura drehte sich zu ihrem Vater hin.
«Aber: Ich bitte dich ganz doll, dir Mühe zu geben. Meine beiden Ältesten sind auch nicht gerade begeistert. Zu ihnen habe ich dasselbe gesagt. Wenn wir uns alle Mühe geben, dann ... dann haben wir eine Chance. Alle. Jeder muss seinen Teil dazu beitragen. Ich auch, das weiß ich. Ich gebe mir auch Mühe. Ich will für dich da sein, wenn du es auch willst. Und umgekehrt: wünsche ich mir dasselbe von dir.» Sie beugte sich zu Laura herunter und sprach leise weiter: «Kümmere dich ein bisschen um Luis. Guck mal, der hat hier draußen ja keine Freunde außer dir. Hilfst du mir?»
Zaghaft nickte Laura.
«So!», erklärte Paul bestimmt. «Dann nimmt Laura mal deine Tasche und trägt sie in die
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