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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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jetzt?»
    «Weil hier eine Menge Arbeit wartet, junge Dame. Und zwar für uns alle.»
    «Bin ich umgezogen, oder was?», sagte sie und sah über seine Schulter hinweg zu Anne hinunter, die auf dem Boden kniete und anfing, auszupacken.
    «Anuschka, so geht das nicht», erwiderte Paul.
    Anuschka rollte mit den Augen.
    «Und da brauchst du auch nicht mit den Augen zu rollen, das kann Anne ruhig hören. Es ist ja leider auch ganz unübersehbar, was du denkst, auch wenn du es nicht sagst.»
    Anne kam hoch: «Lass sie doch gehen, Paul. Wir haben doch genug Hilfe, die Packer, die Jungs, Frau Merk ... und wir schaffen das auch ohne sie. Treten uns doch ohnehin alle auf den Füßen herum!» Es war nett gemeint und sie lächelte Anuschka dabei an.
    «Ich brauche deine Unterstützung nicht!», fauchte Anuschka sie an, und zu ihrem Vater gewandt sagte sie: «Ihr seid echt brutal, was ihr aus lauter Egoismus uns anderen antut. Glaub doch bloß nicht, weil Mami dir das Feld hier überlassen hat, dass sie nicht darunter leidet. Und denk mal an deinen besten Freund!» Sie sah Anne, die näher gekommen war, direkt in die Augen: «Dein Mann! Wie geht's dem denn? Weißt du wahrscheinlich nicht mal. Ist euch ja auch völlig wurscht. Hauptsache, ihr seid glücklich! Äh ...» Sie machte ein Geräusch, als würde sie sich übergeben. «Ihr nehmt eure Kinder als Geisel, um euer Gewissen zu beruhigen, von wegen: ab heute sind wir eine große, glückliche Familie. Aber so was lässt sich nicht verordnen! Und ich lasse mich bestimmt nicht in meinem eigenen Elternhaus festnehmen.» Sie wandte sich zum Gehen. Paul wollte sie festhalten, aber sie machte sich los. «An dem Tag, wo ich achtzehn bin, hau ich ab. Frag mal deine Söhne! Anne! Die denken genauso.» Hämisch ergänzte sie: «Pavel hat's mir grade gesagt. Ihr werdet es sehen: Einer nach dem anderen wird abhauen, sobald es geht. Und dann werdet ihr ganz allein sein in diesem großen, schönen Haus. Mal gucken, wie ihr euch dann fühlt. Und ob eure Liebe das aushält. Abgerechnet wird am Schluss.» Mit diesen Worten verließ sie das Wohnzimmer, knallte die Tür hinter sich zu und verschwand in der Diele.
    Anne und Paul sahen sich betroffen an, wussten nicht, was sie sagen sollten. Anne ließ sich auf eine Umzugskiste sinken und fing an zu weinen. Still und leise. Die Tränen, die sie in all den Monaten nicht geweint hatte, liefen ihr über das Gesicht. Tränen der Erschöpfung, der Traurigkeit, der Scham, des schlechten Gewissens.
    «Also langsam reicht's mal!», meinte Paul. Er ging an den Barockschrank, den seine Mutter ihm zur Heirat mit Sybille geschenkt hatte und der ein Erbstück seiner Urgroßeltern war, öffnet die untere Tür und nahm eine Flasche Malt-Whiskey heraus. Knackend öffnete er den Verschluss, schraubte ihn ab und führte die Flasche zum Mund. Paul nahm einen kräftigen Schluck. Dann reichte er Anne die Flasche. Auch sie setzte an, trank, musste husten, trank einen zweiten Schluck und fühlte, wie der Alkohol ihr brennend die Kehle herunterlief und den Schmerz verdrängte.
    «Wahrscheinlich müssen wir uns in den nächsten Tagen alle einmal zusammensetzen ...» Sie wischte sich den Mund ab und gab ihm den Whiskey zurück.
    «Noch eine Encounter-Runde? Was glaubst du, wie viele Abende ich mit den Mädchen hier geredet habe. Ich dachte ...»
    «Wir alle zusammen!», erklärte Anne. «Ich ... ich möchte hier einfach ... ich möchte mich nicht als Eindringling fühlen, ich möchte, dass Anuschka und auch Laura mich verstehen, ein bisschen wenigstens ...» Sie fing erneut an zu weinen.
    Die Tür zum Esszimmer wurde geöffnet und Frau Merk kam herein. «Entschuldigen Sie, Herr Doktor!», sagte sie zaghaft. «Ich möchte nicht stören. Bloß der Keller ist schon ganz voll gestellt, und die Umzugsleute stehen draußen und lassen fragen, was sie nun tun sollen, also: wohin mit den anderen Sachen.»
    «Ich komme!» Paul nahm zum Erstaunen von Frau Merk einen großen Schluck aus der Flasche und reichte sie dann Anne.
    Sie stand auf: «Ich komme mit!»
    «Nein, Liebling, du puderst dir jetzt erst mal dein süßes Näschen, und dann setzt du dich da hinten ans Fenster aufs Sofa und ruhst dich aus; Frau Merk kocht dir einen schönen Tee, nicht wahr?»
    «Sehr wohl, Herr Doktor Ross.»
    Er ging. Frau Merk blieb in der Tür zum Esszimmer stehen.
    «Ich möchte gar keinen Tee, Frau Merk», erklärte Anne sanft und stellte die Flasche auf den Boden. Sie kam hoch und zog ein Taschentuch

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