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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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aus der Latzhose und schnäuzte sich. Frau Mark kam zu ihr hin, nahm die Flasche hoch, die einen feuchten Rand auf dem Parkett hinterlassen hatte. Sie kniete sich direkt vor Anne hin und begann, mit ihrem Schürzenzipfel den Boden trocken zu wischen.
    Anne trat einen Schritt zurück. «Frau Merk ...»
    Die Haushälterin hörte auf zu arbeiten und sah auf.
    «Ich weiß, dass Sie mich nicht sehr mögen. Aber ich würde mir wünschen, und deshalb sage ich das gleich heute am ersten Tag: dass wir einvernehmlich miteinander klarkommen. Wir müssen ja keine Freundinnen werden. Aber mein ...» Sie wollte sagen: mein Mann, konnte sich aber gerade noch bremsen. «... Dr. Ross braucht Sie, und die Mädchen auch. Und er schätzt Sie und ihre Arbeit über alle Maßen. Bitte, glauben Sie mir, dass ich hier nichts verändern will, ohne es vorher mit ihnen besprochen zu haben.» Sie stopfte ihr Taschentuch zurück. «Ach Gott, Sie wissen ja sicher, was ich meine.»
    Frau Merk richtete sich auf. «Nein», sagte sie.
    Anne wollte sich nicht irritieren lassen: «Dann versuche ich es mit anderen Worten: Bitte, freunden Sie sich mit der neuen Situation – die für uns alle nicht ganz leicht ist – an. Geben Sie sich etwas Mühe mit mir. Für mich ist das alles natürlich besonders schwierig. Ich bin da einfach auf ihre Mithilfe angewiesen.»
    Frau Merk ging zum Schrank, verstaute die Flasche und schloss den Schrank wieder ab. Dann ging sie zur Esszimmertür zurück und drehte sich dort noch einmal um: «Frau äh ...»
    «Alberti.»
    «Ja. Ich bin hier nur für den Haushalt zuständig, will ich mal sagen. Mit dem ganzen anderen Heckmeck habe ich nichts zu tun. Das geht mich nichts an.» Sie ging.
    Verzweifelt blieb Anne zurück. Sie hatte mit Schwierigkeiten und mit Widerstand gerechnet. Aber dass es so wehtun würde, das hatte sie in ihren schlimmsten Träumen nicht geahnt.
    Stivi und Anuschka verbrachten den ganzen Tag und die halbe Nacht miteinander. Nachdem er sie mit seinem Motorrad, einer Enduro, abgeholt hatte, waren sie in eine Eisdiele in der Fußgängerzone gegangen. Dann fuhren sie zu ihm nach Hause. Um diese Zeit war sein Vater noch nicht aus Bad Schwartau zurück, meistens ging er nach Feierabend dort noch in eine Kneipe und trank etwas mit seinen Arbeitskollegen. Auch Stivis Mutter war noch nicht da. Sie arbeitete als Kassiererin in einem Supermarkt und ging anschließend immer zu ihrer kränkelnden Mutter, die in der Nähe lebte und derentwegen sie nicht aus Ahrensburg wegziehen konnten.
    Die beiden waren ungestört in Stivis Zimmer, einer winzigen Bude, die er sich mit seinem Bruder Rolli teilte und die voll gestopft war mit Computern, einer Stereoanlage, Stapeln von CDs und Bergen von Stivis Büchern (er liebte historische Abenteuerromane). Anuschka und Stivi schliefen miteinander. Danach kochte er für sich und seine Freundin Spaghettini mit Tomatensauce; Stivi war ein guter Koch. Sie half ihm beim Abwaschen und Aufräumen. Dabei klagte sie über ihre häusliche Situation. Er versuchte Anuschkas Wut zu verstehen. Doch in Wahrheit war ihre Geschichte für ihn ein weiterer Beleg dafür, wie verwöhnt sie war.
    Gemessen an seinem Zuhause ging es ihr doch gold, fand er, denn sein Leben war dagegen die reinste Hölle. Seine Eltern hatten kein Geld. Sie liebten ihre Kinder, aber meistens fehlte ihnen die Zeit, sich um sie zu kümmern. Stivi und seine Geschwister waren früh auf sich selbst gestellt. Das war der Grund, warum er immer davon sprach, bald abzuhauen – mit oder ohne Abitur. Und Anuschka sollte mit. Bisher hatte sie ihm das immer wieder ausgeredet. Doch an diesem Abend zeigte sie zum ersten Mal Interesse an einem solchen Plan. Ach, man müsste alle Kohle, die man kriegen kann, und allen Mut, den man hat, zusammenschmeißen und einfach weg, egal wie und wohin, einfach nur weg, und zwar ganz, ganz weit. Das war so ein Traum, und sie hatten beide, wie sie so dasaßen in der Küche in dem Hochhaus hinter dem Bahnhof, auf einmal das warme Gefühl, dass sie zusammengehörten für immer und dass sie, wenn sie diesen Traum nur leben könnten, eine klasse Zukunft haben würden. Sie waren zwei fröhliche Menschen auf dem Weg zum Erwachsenwerden, und Stivi sagte zu Anuschka, sie solle nicht immer alles so hart nehmen und mal locker sein, dann würden sich die Dinge schon richten. Und irgendwie, fand sie, hatte er Recht, und ohnehin wollte sie nicht länger darüber nachdenken, was ihr Vater getan und was Anne verbrochen

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