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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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Duell erstochen hatte?«
    »Erstochen? Nein, das kann nicht sein.«
    »Doch, doch, ich erinnere mich genau. Ein Student der Medizin, er lernte auch bei Professor Gruner. Die Studenten sind aufgebracht durch die Stadt marschiert, weil ihnen irgendetwas mit dem Begräbnis nicht passte, aber in jenen Zeiten gab ja vieles Anlass zu Krawall. Sie warfen dabei mit Steinen und zerstörten eine Scheibe meines Hauses.« Er warf in gespielter Verzweiflung die Hände in die Luft. »Glauben Sie, irgendjemand hat mir den Schaden ersetzt?« Der Mann schüttelte resigniert den Kopf und jammerte über das Vermögen, das das neue Fensterglas verschlungen habe. »Es gibt Häuser in Jena, da wurden seinerzeit Scheiben nur notdürftig repariert. Dem Schuster hatten sie in einem Monat drei Fenster eingeworfen, er war so verzweifelt, dass er sie fortan vernageln ließ und beim Licht der Öllampe arbeitete.«
    Hahnemann unterbrach ihn. »Na schön, ich danke Ihnen für Ihre Auskunft.« Dann drehte er sich um und eilte mit großen Schritten in Richtung Johannistor.
     
    Der Gasthof, in dem sich der Professorenclub befinden sollte, war rauchgeschwängert. Nachdem Hahnemann dem Wirt glaubhaft hatte versichern können, dass er dort ein wichtiges Treffen mit Professor Gruner habe, geleitete er ihn durch den gut gefüllten Speiseraum zu einem abgetrennten Bereich im hinteren Teil des Gebäudes, in dem Herren in maßgeschneiderter Kleidung beieinanderstanden |323| oder an Tischen saßen, in angeregte Gespräche vertieft.
    Der Raum wirkte eleganter als die schlichte Gaststube. Überall hingen Spiegel und Bilder. Er blickte auf Tische aus Mahagoni, rot gepolsterte Sofas, mit Leder beschlagene Stühle. Daneben lackierte Teetische mit Tabletts und Gläsern. Bedienstete hasteten beflissen umher und servierten Tee und Gebäck.
    Hahnemann rümpfte die Nase, während er sich umsah. Geschmacklose Schnörkel, ein Übermaß an Vergoldung, an den Wänden eine absurde Mischung von Stuckatur und Malerei. Er tat einen Schritt in den Raum und hatte augenblicklich das Gefühl, im dichten Teppich zu versinken. Er mochte gar nicht darüber nachdenken, wie viel Schmutz sich im Lauf der Jahre im dichten Flor angesammelt hatte. Gab es unter den Dozenten keinen Hygieniker? So etwas musste doch bemerkt werden!
    Hahnemann winkte einen Kellner heran und fragte nach Professor Gruner. Der Mann wies ans andere Ende des Raumes, wo ein Mann mit beträchtlicher Leibesfülle stand, mit gebogener Nase und fleischigen Lippen.
    Mit jedem Schritt, den Hahnemann sich ihm näherte, wurde ihm Gruner unsympathischer. Der Professor sprach mit ausladender Gestik und erhobenen Augenbrauen, um Aufmerksamkeit buhlend, den satten Bauch nach vorn geschoben. Seine Stimme war schneidend. Hahnemann hörte, wie er sich über einen gewissen Kollegen ereiferte, dem wohl sein Urteilsvermögen abhandengekommen wäre. Gruner erinnerte an die übelsten Verfehlungen des armen Mannes, der es sich erlaubt hatte, über die Wollust der Onanisten in den lebhaftesten Farben zu schreiben und sie aufs Abscheulichste zu überzeichnen. Dies müsse man anklagen, wetterte er, freilich ohne den Kollegen kompromittieren zu wollen, was er jedoch in jedem der nun folgenden Sätze tat. Nur kurz vermochte Hahnemann, Gruners Belehrungen und Beleidigungen zu lauschen, dann nutzte er eine Pause zwischen zwei Sätzen und hob Einhalt gebietend die Hand.
    »Professor Gruner, auf ein Wort.«
    |324| »Wie bitte?« Gruners Mund verzog sich augenblicklich zu einem Tadel. »Wer sind Sie, dass Sie mich unterbrechen?«
    »Sie mögen es mir verzeihen, denn ich bin weit gereist, um Sie zu sprechen. Mein Name ist Hahnemann, Mediziner und Wissenschaftler, und ich bin hier, weil ich mit Ihnen über eine äußerst wichtige Angelegenheit sprechen muss.«
    Gruner nickte den anderen zu, es könne ja nicht lange dauern, er sei gleich wieder bei ihnen. Er steuerte auf eine freie Sitzgruppe zu und ließ sich in einen gepolsterten Sessel fallen, um dann rasselnd zu husten und mit einer phlegmatischen Bewegung ein Taschentuch aus der Hose zu befördern, das er sich vor den Mund hielt, bis der Anfall vorüber war. »Ich kann nur hoffen, dass es sich um etwas Wichtiges handelt.«
    Hahnemann setzte sich neben ihn, mit aufrechtem Rücken. »Ich mache es kurz. Was wissen Sie über Albert Steinhäuser?«
    »Albert Steinhäuser?«, echote Gruner und legte den Finger ans mehrlagige Kinn, als müsse er über die Frage nachdenken.
    »Er war vor Jahren Ihr

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