Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)
zuwarf.
Gruner rollte die Augen und lehnte sich ans Pult. »Nun denn, raus mit der Sprache. Worum geht es eigentlich?«
Hufeland ergriff das Wort, bevor Hahnemann es tun konnte. »Es geht um eine Verbindung, die Albert Steinhäuser, einen ehemaligen Studenten von Ihnen, in eine Irrenanstalt sperren ließ, um ihm ein Geheimnis zu entlocken. Der Doktor hat ein Dokument mit Ihrer Unterschrift unter einer Empfehlung, ihn dort einzuweisen. Zweifellos |352| macht es nun den Anschein, Sie seien der Kopf jener Verbindung.«
»Ich? Gott bewahre! Überhaupt hatte ich es diesem Herrn dort bereits erklärt.« Gruner zeigte mit dem Kopf in Hahnemanns Richtung, ohne ihn anzusehen. »Aber Ihr Begleiter scheint keinen Sinn für ehrliche Worte zu haben. Es sieht aus, als sei es meine Signatur, doch sie ist es nicht.«
Hufeland öffnete den Mund zu einer weiteren Frage, doch nun fiel Hahnemann ihm ins Wort. »Der Mann, den man in diesem Tollhaus hielt, wurde gefoltert, weil er sich angeblich im Besitz einer Schrift befand, die einst dem selbsternannten Großprior Johnssen gehörte.«
»Das ist unmöglich. Diese Dokumente sind sicher verwahrt. Zudem ist die Verbindung zerschlagen worden wie alle anderen auch. Ich selbst hatte als damaliger Prorektor einen nicht unwesentlichen Anteil an der Vertreibung.«
»Das wage ich zu bezweifeln«, widersprach Hahnemann. »In Leipzig trieb die Verbindung noch immer ihr Unwesen, und es fällt mir schwer zu glauben, dass sie es nicht auch in Jena tat. Vielleicht wollten Sie ja nur unliebsame Konkurrenz ausschalten, um als alleiniger Orden ungestört arbeiten zu können? Ich traue Ihnen einiges zu. Es sei denn, Sie verraten uns endlich die Wahrheit, sonst muss ich es tun, in aller Öffentlichkeit, wenn es sein muss, auch mitten auf dem Marktplatz. Dieser Orden schreckt vor Morden nicht zurück. Wollen Sie etwa, dass man Sie damit in Verbindung bringt?«
Gruner erbleichte.
»Ganz so direkt würde ich es jetzt nicht sagen«, beeilte sich Hufeland zu sagen und wünschte sich, woanders zu sein. »Zumindest hörte man von …«
»Sie wollen Streit«, zischte Gruner und ging einen Schritt auf Hahnemann zu. »Den können Sie haben, niemand bezichtigt mich ungestraft des Mordes!«
Die beiden Männer standen sich nun wie Kampfhähne gegenüber. Gruner mit dick vorgeschobenem Bauch, einem Raubvogel |353| gleich, Hahnemann etwas schmaler, aber nicht minder eindrucksvoll.
»Meine Herren, warten Sie«, sagte Hufeland, während sein Blick von einem zum anderen wanderte. »Wir sollten das in aller Ruhe klären. Lieber Kollege, ich bitte Sie inständig, wir sind lediglich hier, um einen Sachverhalt zu erörtern. Im Grunde wollen wir verhindern, dass sich dieser unglaubliche Verdacht erhärtet! Ich tue mein Möglichstes, um jede Anschuldigung von Ihnen zu fernzuhalten, aber Sie sehen doch, wohin es führt, wenn man zur falschen Zeit schweigt. Zu alldem kommt erschwerend hinzu, dass gemunkelt wird, der Orden habe den Tod meines Schwagers mit Mutwillen herbeigeführt.«
Gruner löste sich aus der Erstarrung, und zu Hufelands Erstaunen sah er nun sehr bestürzt aus. »Ihr Schwager? Er starb an einer Krankheit.«
»Er starb an einer Arsenikvergiftung«, behauptete Hahnemann. »Eine Tatsache, die den Verdacht gegen Sie – als jemanden, der in der Pathologie bewandert ist – nicht gerade mindert.«
»Jetzt wird es mir zu bunt!« Gruner stützte die Hände in die Hüften, dann atmete er aus und sah auf seine Uhr. »Ich weiß nicht, wie man mir vorwerfen kann, ein elendiger Giftmischer zu sein. Meine Arbeit zeugt von nichts weiter als meiner Absicht, ebensolche zu entlarven. Aber gut, ich nehme den Vorwurf zum Anlass, Ihnen etwas zeigen, das mich davon befreien sollte. Aber, und das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen, das ist weder ein Schuldeingeständnis, noch muss ich vor Ihnen buckeln. Es ist lediglich ein Gefallen, den ich Ihnen, lieber Kollege Hufeland, tue. Danach aber wird dieser Doktor dort«, er zeigte mit gestrecktem Finger auf Hahnemann, »mich in Ruhe lassen. Stimmen wir darin überein?« Damit drehte er sich um und verließ mit schnellen Schritten das Auditorium.
Sie folgten ihm die Treppe hinab in das angrenzende Gebäude, in dem sich ehedem das Refektorium der Dominikanermönche befunden hatte und jetzt die Bibliothek der Salana untergebracht war. Er schritt so rasch voran, dass Hufeland Mühe hatte, ihm zu folgen.
|354| »Das war ein kluger Schachzug«, raunte Hahnemann
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