Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)
Staub.
»Die Vorbereitung der öffentlichen Wiederherstellung des Tempelherrenordens, der niemals völlig vernichtet wurde und im Geheimen weiterexistierte. Nun endlich sollte die siebte, vollkommene Periode folgen, der wahre Triumph, die Wiedererstarkung der überlebenden Linie der Templer!«
»Sie glauben dieser Legende?«, fragte Hahnemann und wischte sich einen Schweißtropfen von der Stirn.
Gruner zuckte die Schultern. »Ich bin Medizinhistoriker, kein Wahrsager.«
»Man erzählt sich, Johnssen sei ein Betrüger gewesen. Und doch war er in der Lage, ein Lebenselixier zu brauen, von dessen Wunderwirkungen selbst in der Siebenbürgener Bibliothek des Baron von Brukenthal zu lesen war.«
»In der Tat, sein Wissen war ganz erstaunlich. Es entstammte allem Anschein nach der Tradition alter Tempelritter, zumindest fand man in den Schriften, die er mit sich führte, Dokumente, die darauf hinweisen, darunter auch arabische und griechische Handschriften, ein Traktat des Arnaldus de Villanova, Agrippas
Magische Werke
und eine Abschrift des
Corpus Hermeticum
.«
Hufeland lockerte sein Halstuch. Die Wärme, die sich trotz des sanften Luftzugs in der Dachkammer staute, machte ihm zu schaffen. »Würde es den Herren etwas ausmachen, die Unterhaltung außerhalb dieses stickigen Raumes fortzuführen?«
Doch weder Gruner noch Hahnemann reagierten, sie schienen so einig im Austausch ihrer Informationen, dass sie auf Hufeland nun wie Brüder im Geiste wirkten. Eine, wie er fand, ganz überraschende Feststellung.
Der Doktor zog gerade seine Jacke aus und legte sie achtlos über den Arm, als der Professor sich über das Haar strich und mit seinen Erklärungen fortfuhr.
»Hätte Johnssen in seinem Machtrausch nicht übertrieben und |357| von seinen Anhängern verlangt, sämtliche Güter an die Loge zu vererben, hätte er sein Ziel erreicht. Ein Großteil der deutschen Logen stand bereits unter seiner Führung, sein Einfluss reichte bis zu den Machthabern der großen Politik. So aber wurde er einigen zur Gefahr. Und auch seine despotische Art war vielen ein Dorn im Auge. Als man ihm auf dem Konvent in Altenberga eine Falle stellte und bei seiner überstürzten Flucht die Hilfe der Machthaber benötigte, wurde auch die Herzogin Anna Amalia informiert, deren verstorbener Gatte von den Künsten der Alchemie, Theosophie, Hermeneutik, ja selbst vom Okkultismus nahezu besessen war.«
Nun wurde es Hufeland zu viel. »Ich bitte Sie, die Wärme ist unerträglich. Es ist nur ein Schritt zurück, hinter dieser Tür ist die Luft kühler.«
Endlich schien Gruner von ihm Notiz zu nehmen. »Sie werden uns doch nicht umfallen wollen? Nun gut, ich werde Ihnen nun etwas zeigen, das Ihnen die Sprache verschlagen wird. Doch ich will Ihnen keine falschen Hoffnungen machen, die Dokumente, zu denen ich Ihnen nun einen Einblick gewähren möchte, sind allesamt gebunden und über die Einbände an die Truhe gekettet, deren Größe und Gewicht jeden hindern, die Geheimnisse davonzutragen. Sie ist seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr geöffnet worden, und ich kann nur hoffen, dass der Rost das Schloss noch freigibt.« Er räusperte sich und fingerte am Schlüsselbund herum, bis er einen Schlüssel hervorzog, der ein wenig kleiner war. »Johnssen wurde auf seiner Flucht gefangen und in der Wartburg eingekerkert, wo man über Jahre versuchte, seine Geheimnisse aus ihm herauszupressen. Doch er hat sie nie offenbart. Bis auf wenige Dokumente, deren Aufenthaltsort er verriet, da man ihm im Gegenzug einen eisernen Ofen versprach, der die feuchte Kälte des Kerkerraums vertreiben sollte. Diese Dokumente gab die Herzogin mir, als einem Kenner antiker Schriften, zur Bewahrung und Forschung nach seinem Tod, doch die Rezeptur des allheilenden Elixiers, das sie so innig ersehnte, war nicht dabei. Erst Jahre später, als einer der engsten Vertrauten Johnssens und ein führendes Mitglied der ehemaligen |358| Rosenloge, August Teichmeyer, verstarb, fand man in seinem Haus, dem ehemaligen Logenhaus, ein Laboratorium, dessen sich der Orden für seine Arbeit bedient hatte. Als man bei einem Umbau eine Wand einriss, stieß man auf eine eingemauerte Kiste.«
»Was war darin?«, fragte Hahnemann.
»Ein handgeschriebenes Blatt mit der erwähnten Rezeptur.«
»Haben Sie sie gelesen?«
»Ja, ich habe es versucht. Doch ihre Bedeutung blieb mir in weiten Teilen verborgen. Ich bin kein Alchemist.«
»Wo ist diese Schrift?«
»Ich habe sie an gesonderter Stelle
Weitere Kostenlose Bücher